21.08. Rugby-Spionage

Ein Krimi am Rande eines einseitigen Duells

Das Hinspiel im trans-tasmanischen Kampf um den Bledisloe Cup in Sydney war alles, bloß kein Krimi. Neuseelands neuformierte All Blacks überrollten Australiens Wallabies derart brutal, dass das Nachrichtenportal news.com.au den Rugby-Vergleich aus Sicht der Verlierer als „keine Rivalität, sondern ein sich jährlich wiederholendes Begräbnis“ beschrieb. Seit 13 Jahren geht das so. Und mit 42:8 waren die Wallabies noch gut bedient.

Der Krimi, der sogar die Polizei auf den Plan rief, spielte sich am Rande der einseitigen Partie ab und begann Anfang der vergangenen Woche, als die All Blacks ihr Hotel in Double Bay, Sydneys Stadtteil mit den höchsten Immobilienpreisen, bezogen.

Die Ermittlungen haben mit fünftägiger Verspätung begonnen, weil der neuseeländische Verband NZRU den Fall erst am Morgen des Samstag-Spiels anzeigte und öffentlich machte, als NZRU-Direktor Steve Tew von den Olympischen Spielen aus Rio einflog. Der Täter ist also noch unbekannt. Die All Blacks sind das Opfer.

Kein Witz: Der Sportverband hat eine Spionageabwehr-Abteilung

Fakt ist, dass die Spionageabwehr des dreifachen Weltmeisters im Polster eines Stuhls in einem Konferenzraum, in dem am Vorabend eine Mannschaftsbesprechung über Aufstellung und Taktik stattgefunden hatte, ein Hightech-Abhörgerät fand, wie es offenbar professionelle Geheimdienste benutzen. „Ich persönlich habe solch einen Minisender noch niemals gesehen“, sagte der lokale Polizeichef Brad Hodder, der den Vorfall als „ernst“ bezeichnete, denn auch in Australien ist es verboten, private Gespräche mittels eines Abhörgerätes zu belauschen.

Obwohl die Neuseeländer niemanden beschuldigten, hinter der Verwanzung des Stuhls im luxuriösen Hotel Intercontinental zu stecken, wies der australische Verband ARU vorsorglich jegliche Verstrickung von sich. „Selbstverständlich haben wir nichts damit zu tun“, sagte ARU-Chef Bill Pulver, „so etwas wäre absolut lächerlich.“ Angesichts des Resultats auf dem Rasen des ANZ-Stadions natürlich erst recht.

So ist der interessanteste Aspekt der Abhöraffäre, dass die All Blacks offenbar nicht nur Trainingsgeräte, physiotherapeutische Apparaturen und medizinisches Zubehör im Gepäck haben, sondern auch Detektoren, um Lauschangriffen auf die Spur zu kommen. Dies bestätigte Steve Tew. Schon bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in England hätten die All Blacks versucht, Wanzen aufzuspüren, hätten „aber noch keine solch ausgeklügelten Geräte zur Verfügung gehabt“. Damals hatten die Neuseeländer den Verdacht, dass sich in einigen ihrer Hotelzimmer in London Minisender befanden.

"Spionage ist im Rugby gang und gäbe"

Es war nicht das erste Mal, dass dunkle Kräfte versuchten, die Geheimnisse der weltbesten Rugby-Mannschaft auf illegale Weise zu erforschen. Ob nun bei Trainingseinheiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder mit Aufzeichnungsgeräten in Unterkünften und Umkleideräumen. Der frühere Nationaltrainer Graham Henry sagte: „Spionage ist im Rugby auf höchster Ebene gang und gäbe.“

Die spektakulärste Attacke, über der noch immer der Schleier des Mysteriösen schwebt, war allerdings keine Abhöraffäre. Sie ereignete sich bei der Weltmeisterschaft 1995 in Südafrika, wo ein Großteil der hochfavorisierten All Blacks zwei Tage vor dem Finale gegen das Gastgeber-Team mit einer Magen- und Darminfektion außer Gefecht gesetzt wurde. Die All Blacks traten mit wackligen Knien trotzdem an, verloren aber völlig geschwächt vom schweren Brechdurchfall nach Verlängerung mit 12:15.

Der damalige Trainer Laurie Mains engagierte umgehend einen Privatdetektiv, der herausfand, dass im Mannschaftshotel zwei Tage vor der Ankunft der All Blacks eine Kellnerin namens Suzie ihren Dienst angetreten hatte und nach der Erkrankung des Teams von der Bildfläche verschwand. Das Essen wurde als Auslöser der Infektion ausgeschlossen, vielmehr soll das Gift in den Kaffee, Tee oder gar das Trinkwasser gemischt worden sein.

Erst vor drei Monaten bestätigte der damalige Bodyguard von Südafrikas Präsident Nelson Mandela, Rory Steyn, diese Version. „Ich habe zwar keinen Beweis“, sagte er, „aber ich bin sicher, dass es so war.“ Hinter der Aktion sollen Wettsyndikate und/oder Buchmacher gesteckt haben, die bei einem Sieg der hochgewetteten All Blacks vor dem Ruin gestanden hätten. Nur solch eine massive Intervention hätte den Wallabies am Samstag geholfen.

INFO

Das Hotel Intercontinental Sydney Double Bay ist als Nobelherberge von Reichen und Prominenten bekannt. Es wurde 1991 als Ritz Carlton eröffnet. Hier logierten unter anderem der frühere US-Präsident George Bush, Popstar Madonna und Prinzessin Diana. Am 22. November 1997 wurde im Zimmer 524 des Hotels Michael Hutchence, der Leadsänger der australischen Rockband INXS, tot aufgefunden. Die Autopsie ergab, dass der depressive Musiker unter Einfluss von Alkohol und anderen Drogen Selbstmord begangen hatte.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)