20.03. Einzelhaft im Hotel

Dank Corona-Virus Urlaubsende in Buenos Aires

Ich sitze gerade in Buenos Aires fest, seit heute herrscht hier Ausgangssperre. Ich bin in Sicherheit und befinde mich in einem großen (und fast leeren...) Hotel und hoffe darauf, dass mich das Auswärtige Amt auf seinem ersten Evakuierungsflug nach Deutschland ausfliegt und dass ich dann von dort in meine Wahlheimat Neuseeland weiterfliegen kann.

Seit ich gestern die Deutsche Botschaft kontaktierte, sage ich erstmals öffentlich, dass ich stolz darauf bin, Deutsche zu sein. Auch ich gehöre zu jenen Deutschen, denen es schwerfällt, die Liebe für oder den Stolz auf unser Land in die Welt hinauszuposaunen, so wie es unzählige andere, inklusive der Neuseeländer, tun, weil sie aufgrund ihres Deutschseins im Ausland angefeindet werden. Als wären wir für die Vergangenheit und das Dritte Reich verantwortlich! Aber wir denken uns: Wehret den Anfängen. Alles bloß keine nationalistisch angehauchten Gefühlsäußerungen. Bloß nichts allzu Positives über Deutschland sagen, es könnte fehlinterpretiert werden.

Natürlich kann man nicht auf alles stolz sein, was deutsch ist und in Deutschland abgeht. Aber keiner von uns muss es sich gefallen lassen, als Nazi beschimpft zu werden, bloß weil er/sie Deutsche/r ist. Das passiert Deutschen in Neuseeland regelmäßig. Sobald es ein kleines Problem gibt, werden die Deutschen zu Nazis.


Der Stolz, Deutsche/r zu sein

Aber wir können in der jetzigen Corona-Krise stolz darauf sein, wie sich die deutschen Botschaften in aller Herren Länder und das Auswärtige Amt um Deutsche kümmern, die im Ausland festsitzen, weil viele Länder ihre Grenzen geschlossen und Fluggesellschaften über Nacht ihre Flüge eingestellt haben. Ich weiß jetzt erst recht aus erster Hand, wer nur quasselt und wer handelt. Die Deutsche Botschaft versucht, mir zu helfen, obwohl ich seit 16 Jahren in Neuseeland lebe - einfach deshalb, weil ich Deutsche bin und einen deutschen Pass habe.

Ich habe zwar seit sechs Jahren auch die neuseeländische Staatsbürgerschaft, habe mir aber nie einen Pass besorgt. Ich dachte immer, ein deutscher Pass ist keine Schande und weltweit akzeptiert. Und jetzt weiß ich auch, dass es gar nichts genützt hätte, einen neuseeländischen Pass zu besitzen, denn die neuseeländischen Behörden tun nichts. Oder sie brauchen etwas länger. Auf jeden Fall schloss die neuseeländische Botschaft in Buenos Aires gestern ihre Pforten, beantwortete keine Emails und hob nicht einmal während ihrer eigentlich drei Stunden "Publikumsverkehr" den Telefonhörer ab, auch nicht auf der Notrufnummer.

"Wir sind nur die Regierung, nicht Air New Zealand"

Mein Anruf in der konsularischen Notfall-Abteilung des Außenhandelsministeriums in Wellington wurde zwar mit vielen Worten beantwortet, aber der Tenor war jener - und ich zitiere hier fast wörtlich: Wir können nicht helfen; wir sind nur die Regierung und nicht Air New Zealand! (Währenddessen spricht der Außenminister davon, 80.000 Neuseeländer von einem weltweiten "Sammelpunkt" abzuholen, selbst jene, die gar keinen Wohnsitz in Neuseeland haben! Und das, wo Air New Zealand vor zwei Tagen den Betrieb eingestellt hat! Das kann dauern...)

Auf meinen Einwand hin, dass Air New Zealand ja auch nicht helfen werde, sondern uns in der Pampa sitzen lasse, wurde mir gesagt, ich solle mich auf mindestens zwei Wochen oder einen unbestimmten längeren Zeitraum Einbunkern in Buenos Aires einstellen. Ich solle sicherstellen, dass ich genug Geld zur Verfügung hätte und mit meiner Familie und Freunden in Kontakt bleiben solle, das sei ganz wichtig. Und natürlich, dass ich sicher sei. 

Klassisch Kiwi! Einer der Slogans, den die Behörden wie Finanzamt oder Sozialamt haben, ist: "We are here to help!" Aber wenn man ihre Hilfe braucht, wird man abgezockt (wie z.B. vom Finanzamt oder vom Sozialamt, WINZ, das - mein Lieblingsthema - ausländische Beitragsrenten indirekt konfisziert, um das neuseeländische Rentensystem zu entlasten und Rentnern, die aus dem Ausland kommen, keine neuseeländische Einheitsrente zu zahlen).

Neuseeländischer Rat: Lieber die deutsche Botschaft kontaktieren

Aber einen guten Ratschlag gaben mir die neuseeländischen Regierungsbeamten dann doch noch: Da ich einen deutschen Pass habe, solle ich die deutsche Botschaft kontaktieren. (Als hätten sie mir besser helfen können, wenn ich einen neuseeländischen Pass und nicht bloß die Staatsbürgerschaft samt Ausdruck der Einbürgerungsurkunde hätte!)

Das tat ich dann und der Anruf erfüllte mich mit einem wohligen Gefühl. Obwohl ich außerhalb der Geschäftszeiten anrief, war sofort jemand am Krisentelefon, eine höchst kompetente und freundliche Frau, und erzählte mir von Evakuierungsflügen und dass eine Chance bestünde, nach Deutschland ausgeflogen zu werden, zumal ich als "alt" gelte, auch wenn ich mich nicht so fühle und anhöre. Da war jemand, der etwas wusste und etwas tat und nicht bloß plauderte und gesagt hätte, wie "phantastisch" und "wunderbar" alles sei, bloß um dann zu sagen: "We are here to help", aber: April, April!

Mein Kiwi-Partner sagte zum Unterschied zwischen Deutschen und Neuseeländern bloß: "Es ist Stereotypie, aber es ist die Realität." Und dass ich auf die Deutschen bauen solle und nicht auf das Gequassel der Neuseeländer.

Air New Zealand hat es beispielsweise bis heute nicht geschafft, mir eine Email mit der Mitteilung zu schicken, dass mein für Sonntag (22. März) gebuchter Flug nach Auckland ausfällt. Ich habe es gestern endlich in der App entdeckt. 

Air NZ fordert Kunden auf, einer Gutschrift zuzustimmen

Dafür kam eine Email, die jeder sitzengelassene Kunde erhielt, in der man aufgefordert wurde, einen "Credit" - also eine Gutschrift für die Flugkosten - zu beantragen. Das hieße, dem Unternehmen einen Kredit einzuräumen und über Jahre hinweg den angesammelten Betrag in andere Flüge zu investieren. Ich hatte Premium Economy für den Rückflug gebucht, mit dieser Gutschrift könnte ich zwei Jahre durch Neuseeland fliegen - denn für internationale Flüge werde ich Air NZ nach diesem Reinfall sicherlich meiden. Ich möchte mein Geld zurück!

Ich hatte in der Nacht von Samstag auf Sonntag ein mulmiges Gefühl bekommen und meinen für 16. April geplanten Rückflug nach Neuseeland auf Sonntag, 22. März,  umgebucht, meinen kompletten und bis ins Detail geplanten Patagonien-Urlaub storniert und meinen Aufenthalt in Buenos Aires um eine Woche verlängert. Wenige Stunden später gab Air New Zealand bekannt, dass es die Buenos-Aires-Route nur noch bis 30. oder 31. März bedienen und dann bis 30. Juni aussetzen würde. 

Ich dachte, ich hätte alles richtig gemacht - bloß um zwei Tage später von meinem Partner und Freunden in Neuseeland zu hören, Air NZ habe angekündigt, die Route ab sofort einzustellen. Der letzte Flug war offenbar am Mittwoch. Ich wüsste es unter Umständen bis heute nicht, denn ich wusste ja, dass ich am Sonntag fliegen würde, und genoss solange die Zeit in Buenos Aires. Mein Partner buchte für ein Schweinegeld einen Sonntag-Flug auf LATAM über Santiago de Chile nach Auckland. Der wurde dann gestern storniert, weil Chile die Grenzen geschlossen hat. Umso mehr hoffe ich, dass ich den Cut für den ersten Evakuierungsflug des Auswärtigen Amtes am Sonntag (jetzt wohl eher: Montag) mache.

(Update: Ich bekam am 21. März eine Bestätigung für 23. März und konnte meinen Platz für jemand anderen freigeben.)


Premierministerin sagt: Frachtflugzeug statt Panikkäufe

Air NZ hat offenbar bekanntgegeben, dass es mit den im Ausland zurückgelassenen Passagieren "in den nächsten Tagen in Kontakt" treten und alternative Reiseangebote machen werde. Aber hier zu sitzen, niemanden bei Air NZ zu erreichen, weder in Neuseeland noch hier in Buenos Aires, und gar aus der Leitung geworfen zu werden, ist unmöglich. Die Premierministerin riet von Panikkäufen ab - und meinte damit diese schweineteuren Tickets mit anderen Airlines - und meinte, man könne ja noch mit Frachtflugzeugen zurückkehren. Neuseeländische Menschen im Austausch für neuseeländisches Lammfleisch ;-) 

Als eine Kollegin vom NZ Herald in der vergangenen Nacht bei mir anrief, um Updates zu der Situation und über meine Erfahrungen zu bekommen, erkundigte sich Air NZ offenbar bei ihr nach meiner Buchungsnummer. Bislang habe ich aber nichts gehört. Und wo kommt man hin, wenn ein Unternehmen nur reagiert, wenn eine Medienanfrage kommt?! Es zeigt doch nur die Verachtung für die Kunden und dass PR alles ist.

Die neuseeländische Botschaft hat dann heute meine Email doch noch beantwortet, aber es war auch nur das übliche Bla-bla, das von der Notfallstelle in Wellington kommt: Es gebe noch kommerzielle Flüge und ich solle mich mit meiner Reiseversicherung in Verbindung setzen, die müsse sich um meinen Rücktransport kümmern. Habe ich gestern auch getan und keine Antwort erhalten. Auch meine Versicherung "is here to help". Haha!

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Update 25. März 2020

Ich bin wieder in Neuseeland. Mit einem Flug rund um die Welt (37 Stunden) auf Qatar Airways, der mich fast 6.000 Euro kostete, habe ich es tatsächlich geschafft. 

Auch das Auswärtige Amt hätte mich ausgeflogen - nach Frankfurt, von wo ich dann nach Neuseeland weitergeflogen wäre, vermutlich auch mit Qatar Airways.

Die ganze verrückte Geschichte hier: 

Digitaler Wahnsinn