28.01. Cricket-Rückkehr
Registrierkasse klingelt zum Comeback des Betrügers
Als Mark McLeod während des abendlichen Kurz-Länderspiels (Twenty20) der neuseeländischen Black Caps gegen Pakistan die Registrierkasse klingeln ließ, brach im Westpac-Stadion in Wellington Heiterkeit aus.
Im Gegensatz zu den Fans in der Arena fand der nationale Cricket-Verband NZC das Dingeling überhaupt nicht lustig und forderte seinen langjährigen Stadionsprecher, der auch für die Musik-Einspielungen zwischen den Würfen und während anderer Unterbrechungen zuständig ist, unmissverständlich auf, sich beim nächsten Ein-Tages-Match gegen Pakistan in Napier am Riemen zu reißen.
NZC-Direktor David White entschuldigte sich bei den Pakistanis für die „unangemessene und respektlose“ Aktion des Mannes am Mikrophon, weil sie „eines der größten Probleme unseres Sports trivialisiert“. McLeod ließ nämlich die nun verbotenen Töne erklingen, als Fastbowler Mohammad Amir zum Wurf anlief.
Non-Verbaler Kommentar
Es war ein non-verbaler Kommentar zum Comeback des Pakistanis nach fünfjähriger Sperre wegen Spielmanipulation zum Zwecke des Wettbetrugs. Der hochtalentierte Linkshänder hatte während Pakistans England-Tour 2010 den Ball zu festgelegten Zeitpunkten mehrmals absichtlich verworfen.
Es blieb nicht beim Bann durch die Sportgerichtsbarkeit. Das Staatsgericht im Londoner Stadtteil Southwark verurteilte Amir im November 2011 zu sechs Monaten Gefängnis, von denen er die Hälfte absitzen musste. Er kam glimpflich davon, weil er zum Zeitpunkt des Betrugs erst 18 Jahre alt war und unter das Jugendstrafrecht fiel. Zwei ältere Teamkollegen wanderten für zwölf beziehungsweise 30 Monate hinter Gitter.
Schon einige Wochen, bevor die Pakistanis zu ihrer Neuseeland-Tournee aufbrachen, war das Thema Amir in aller Munde. Zum einen, weil Meldungen aus dem Land am Indus die Runde machten, nach denen sich mehrere Teamkollegen weigerten, mit dem rehabilitierten Betrüger in einer Mannschaftzu spielen; Kapitän Azhar Ali und Routinier Mohammad Hafeez boykottierten sogar ein Trainingslager.
Zum anderen war nicht sichergestellt, dass die neuseeländische Einwanderungsbehörde Amir aufgrund seiner Vorstrafe überhaupt ein Visum erteilen würde. Dafür wiederum setzte sich NZC ein, mit der Begründung, der Spieler habe seine Strafe verbüßt und eine zweite Chance verdient.
Stadionsprecher an der Kandare - Drohung gegen freche Fans
Nun hat der Verband zwar seinen Stadionsprecher an die Kandare genommen, aber gegen die meisten Reaktionen auf den Zuschauerrängen ist er machtlos, auch wenn Sicherheitspersonal in Wellington vereinzelte Fans warnte, sie sollten sich benehmen oder würden des Stadions verwiesen.
Angeblich hatte sich ein pakistanischer Spieler bei den Schiedsrichtern und den eigenen Aufpassern beschwert, als einige Zuschauer Amir aufs Korn nahmen. „Ich habe einen Dollar für dich“, soll einer gerufen und mit Geldscheinen gewedelt haben.
Der Vorsitzende des pakistanischen Cricket-Verbands, Shahryar Khan, sagte, der Spott habe Amir und die Mannschaft tief verletzt. Doch Assistenztrainer Mushtaq Ahmed spielte das Thema herunter und beteuerte, die Vorfälle seien innerhalb der Mannschaft nicht diskutiert worden: „Wir konzentrieren uns hier auf Cricket. Alles andere, was auf den Rängen passiert, ist Sache der Anti-Korruptions-Einheit und des ICC [internationaler Cricket-Verband].“
Spott und Hohn am Spielfeldrand
Mit Spott und Hohn müssen vor allem jene Profis leben, die, während ihre Mannschaft wirft, am Rande der ovalen Spielfelds positioniert sind, um einen vom gegnerischen Schlagmann weit weggedroschenen Ball zu fangen.
Es ist nahezu unmöglich, die Ohren auf Durchzug zu schalten, weil es im Stadion still ist, während der Werfer anläuft. „Man versucht natürlich, völlig abzuschalten, aber es ist schwierig“, sagte Black-Caps-Bowler Doug Bracewell. „Häme und Witze von außen sind ein Berufsrisiko, vor allem für das Gästeteam, und ganz besonders, wenn man nahe an der Bande steht.“ Die Hänseleien gehören zum Cricket wie die Büttenrede zum Karneval.
Dass ausgerechnet Mohammad Amirs als einziger Spieler der Welt nicht veräppelt werden soll, während alle anderen, die nichts auf dem Kerbholz haben, damit leben müssen, ist eine seltsame, ja, utopische Vorstellung. „Man erntet, was man sät“, schrieb die Tageszeitung The Press, „Pech gehabt, Amir! Du hast die ganze Cricket-Welt mit deinem Betrug schockiert. Jetzt wirst du wohl in der Lage sein, ein paar dumme Sprüche zu verkraften.“
Zumal die neuseeländischen Anhänger im Vergleich zu den englischen Fans ausgesprochen zahm sind. Die Barmy Army ist für ihre Schmählieder berühmt-berüchtigt und sicherlich schon am Dichten, um Mohammad Amir während der England/Irland-Reise (Juli bis September) würdig zu begrüßen.
(Copyright: Sissi Stein-Abel)