05.01. Unsäglicher Morrison

Buschfeuer werden zum politischen Albtraum

CHRISTCHURCH/SYDNEY. Vielleicht liegt es ja daran, dass Jacinda Ardern eine Frau ist. Und emotional. Eine, die Anteilnahme, oft sogar mit einem Hauch von Heiligenschein, ausdrückt, mit Worten und Gesten, und in der größten Krise Neuseelands trotz Trauer und Tränen außergewöhnliche Führungsqualitäten demonstrierte.

So wenig sie innenpolitisch gebacken kriegt, so sehr hat sie nach den Terroranschlägen von Christchurch, die im vergangenen März 51 muslimische Moscheebesucher das Leben kostete, international an Ansehen gewonnen. Sie zeigte Mitgefühl und handelte entschlossen: Einen Monat nach dem Horror wurden die Waffengesetze in Neuseeland geändert. Die Frau setzte keinen Fuß falsch. Menschlichkeit gepaart mit politischem Instinkt.

Schon damals stoßseufzte halb Australien, sie wünschten sich Ardern als Premierministerin anstelle von Scott Morrison, der das Amt seit dem Coup gegen Malcolm Turnbull im August 2018 innehat – was sie aber nicht davon abhielt, Morrisons Mitte/Rechts-Koalition aus Liberaler und Nationaler Partei bei der Wahl im vergangenen Mai eine komfortable Mehrheit zu verschaffen, um die Klimapolitik der Opposition und einen wirtschaftlichen Abschwung zu verhindern.

Und jetzt wiederholt sich im Angesicht der Feuersbrunst, die das Nachbarland in eine Flammenhölle verwandelt hat, der neidische Blick zum kleinen Nachbarn, denn Morrison wird täglich untragbarer mit seinen Wischi-Waschi-Aussagen zum Klimawandel und dessen Einfluss auf die Buschfeuer, die eben nicht mehr ganz normal sind, sondern aufgrund der anhaltenden Dürre immer früher beginnen, länger dauern und verheerendere Auswirkungen haben.

Hawaii-Urlaub und Cricket-Empfang statt Krisenmanagement

Zerstörte Häuser, Existenzen, Wälder, der Tod von Dutzenden Menschen, einer halben Milliarde toter Tiere und ganzer Ökosysteme, Artensterben, Untergang - und was macht der Regierungschef, der vor Weihnachten wegen seiner unangekündigten Ferienreise nach Hawaii heftige Kritik kassierte, vorzeitig zurückkehrte und sich doch nur halbherzig dafür entschuldigte? Er empfing in seiner Zweitresidenz, dem Kirribilli House, in Sydney an Neujahr die Cricket-Mannschaften Australiens und Neuseelands, die am Freitag zu einem Fünf-Tage-Match antraten, stellte sich zu einem Gruppenfoto strahlend zu ihnen und sagte allen Ernstes: „Die Buschfeuer-Krise spielt sich vor dem Hintergrund des Crickets ab.“

Schon im November hatte der Premierminister auf Twitter die frohe Botschaft gepostet, „unsere Jungs“ (damals gegen Pakistan) würden „den Feuerwehrleuten und den betroffenen Gemeinden etwas geben, worüber sie jubeln können“. Kurze Zeit später verschwand er nach Hawaii, „weil ich es meinen beiden Töchtern versprochen hatte“. (Die Mädchen sind 10 und 12 Jahre alt.)

Die Cricket-Stars zeigten beim Neujahrsempfang wesentlich mehr Sinn für die Gefühle der Menschen, die der Tragödie fassungslos gegenüberstehen. Australiens Kapitän Tim Payne bedankte sich im Namen des Teams „bei den mutigen Männern und Frauen, die diese Feuer im ganzen Land bekämpfen; sie sind die wahren Helden des australischen Sommers.“

Ein Premierminister ohne dezidierte Meinung zu fast allem

Die Buschfeuer sind für den 51-Jährigen Morrison, der seit 30 Jahren mit seiner Jugendliebe Jenny verheiratet und Mitglied einer Megakirche der Pfingstbewegung ist, ein politischer Albtraum geworden, auch wenn er wie die meisten seiner Vorgänger zu fast nichts eine dezidierte Meinung hat.

Die Episoden mit Hawaii und dem Cricket sind für seine Kritiker Beweis dafür, wie abgehoben und realitätsfremd der Premier ist, der zum Verdruss vieler Australier – vielleicht auch aus pragmatischen Überlegungen heraus – US-Präsident Donald Trump hofiert und in Krisenzeiten wie Trump nicht das Richtige tut und sagt.

Den um ihr Leben bangenden Menschen im südlichen New South Wales und in Victoria, inklusive jener, die vor dem rotglühenden Inferno am Strand von Mallacoota ausharrten, um notfalls ins Wasser zu springen, sagte Morrison, sie müssten Geduld haben. „Das ist eine Naturkatastrophe“, sagte er, und auf die reagiere man am besten „mit methodischen, gut koordinierten Maßnahmen“. Bloß keine Hektik!

Die Quittung für sein Verhalten bekam Morrison bei einem Besuch im Katastrophenort Cobargo in New South Wales am Freitag. Bewohner beschimpften ihn als Idiot, Mistkerl und Flachwichser und forderten ihn auf: „Verpiss dich!“

Immerhin hat der erzkonservative Regierungschef, der auch Vorsitzender der in Australien nicht sehr liberalen Liberalen ist, in der Zwischenzeit zwei Marineschiffe losgeschickt, um Menschen zu evakuieren, und Soldaten zur Unterstützung der Feuerwehren in die Krisengebiete geschickt. Aber Führungsqualitäten sind das nicht.

„Was immer auch unsere Prüfungen sind, welche Katastrophen uns auch befallen haben, wir sind nie in Panik ausgebrochen“, schrieb er in einer Neujahrsbotschaft, „und wir werden das im Angesicht der gegenwärtigen Feuerkrise jetzt auch nicht tun.“ Generationen von Australiern bis hin zu den „Ersten Australiern“ – den Aborigines – hätten auch Naturkatastrophen erlebt, Fluten, Feuer, globale Konflikte, Krankheiten und Dürren, und sie hätten wirtschaftliche Not gelitten, „die heutige Generationen niemals erlebt haben“.

Das heißt übersetzt: Es gibt keinen Klimawandel, alles ist wie schon seit Jahrtausenden, alles ganz normal, kein Grund zur Panik, wir haben das im Griff, weil es schon immer so war. Deshalb fliegt er nach Hawaii und hampelt mit den Cricket-Assen herum, wenn Australien brennt.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)

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