Waterloo für England

Die Cricket-Erfinder vollbringen ein Wunder

CHRISTCHURCH/ADELAIDE. Die englische Fußball-Nationalmannschaft hat es in Brasilien vorexerziert, als sie bei der Weltmeisterschaft zum ersten Mal nach 56 Jahren schon in der Vorrunde ausschied. Es war ein schwerer Schlag für das Mutterland des Fußballs, aber die Fans sind Kummer gewöhnt, schließlich hatte ihr Team 1984 und 2008 nicht einmal die Qualifikation für die Europameisterschaft geschafft.

Dass England jedoch bei einer Cricket-Weltmeisterschaft schon vor dem letzten Vorrunden-Spiel (am Freitag gegen Afghanistan) weiß, dass es die Koffer packen muss, ist eine jener Sensationen, die ungläubiges Staunen auslöst.

Es ist kaum fassbar, denn der Spielmodus des Titelrennens in Neuseeland und Australien war ganz danach ausgerichtet, dass keiner der Großen auf der Strecke bleiben würde. Lediglich 14 Mannschaften, zwei Siebener-Gruppen, die jeweils ersten Vier fürs Viertelfinale qualifiziert, da sollte für die Engländer nichts schiefgehen.

Vorzeitiges Aus in Adelaide

Und doch, sie vollbrachten das Wunder. Nach den drei deftigen Pleiten gegen die Titelfavoriten Australien und Neuseeland sowie Sri Lanka, bei lediglich einem Sieg gegen Cricket-Zwerg Schottland, bedeutete die 15-Punkte-Niederlage gegen Bangladesch in Adelaide das vorzeitige Aus.

Die Ursache dafür sahen die Experten schon in der Planungsphase, als England, bei elf Weltmeisterschaften drei Mal Zweiter, zu viele auf Sicherheit bedachte und zu wenig risikofreudige Schlagleute (Batsmen) nominierte. Diese übervorsichtige und ultra-konservative Taktik ging völlig daneben, da die vermeintlich besten Werfer (Bowler) schwache bis rabenschwarze Tage erwischten.

Die Schadenfreude der beiden Gastgeber-Nationen war den Erfindern der Sportart sicher, denn die ehemalige Kolonialmacht ist am anderen Ende der Welt nicht sonderlich beliebt. Die Vorrunden-Katastrophe schockiert auch viele Fans von der Insel, die erst zur Endrunde anreisen werden. Wenn sie in Australien eintreffen, sind ihre gestürzten Helden schon auf dem Weg nach Hause, und Bangladesch tritt zum gebuchten Viertelfinal-Spiel in Melbourne an.

Erinnerungen in Neuseeland an ein ähnliches Szenario

Zumindest in Neuseeland erinnerte sich jeder an ein ähnliches Szenario, das acht Jahre zurückliegt. Damals machten sich die Anhänger der All Blacks – das ist die berühmte Rugby-Nationalmannschaft – auf den Weg zum WM-Halbfinale in Paris.

Während sie im Flieger saßen, verlor der haushohe Titelfavorit das Viertelfinal-Match in der walisischen Außenstelle Cardiff gegen WM-Gastgeber Frankreich mit 18:20. Ein Schmerz, der erst vier Jahre später nachließ, als die All Blacks bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land den Titel gewannen.

Von solch einer Umkehr der Ereignisse darf die englische Cricket-Mannschaft zumindest träumen. Die WM 2019 findet in England statt – mit nur zehn Mannschaften.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)

Text vom 10. März 2015