11.03. Doping-Erinnerungen
Team Sky: Henderson plaudert aus dem Nähkästchen
Als Bahnspezialist spielte Greg Henderson, im Team Lotto-Belisol, im Gedränge des Schlusssprints Lokomotive für André Greipel, brachte den deutschen Radstar bei Klassikern und Etappenrennen in eine ideale Ausgangsposition für die Hatz zur Ziellinie. Das war nach seiner Zeit beim damals neugegründeten Team Sky, dem er bei der Tour Down Under 2010 den ersten Sieg bescherte und das er 2011 wieder verließ.
Schon während seiner aktiven Karriere, die er im vergangenen August beendete, hat sich der Neuseeländer mit Kommentaren zum Thema Doping nicht zurückgehalten. Jetzt hat der 41-jährige Ex-Profi, der mittlerweile Leistungssportdirektor für die Ausdauerdisziplinen im Radsport-Verband der USA ist, Öl in die feurigen Diskussionen um das von Dopingwolken umgebene Team Sky gegossen.
In einem Interview mit der in Auckland erscheinenden Sunday Star Times plauderte Henderson, der 2006/07 beim deutschen Team T-Mobile unter Vertrag stand, aus dem Nähkästchen und sagte, die Praktiken der britischen Mannschaft, ihren Spitzenfahrern – allen voran den Tour-de-France-Siegern Bradley Wiggins und Chris Froome – mit medizinisch begründeten Ausnahmegenehmigungen leistungssteigernde Medikamente von der Dopingliste zu verabreichen, sei „nach den Buchstaben des Gesetzes vielleicht keine Verletzung des Anti-Doping-Codes, aber moralisch fragwürdig“.
Unverständlich, warum Froome (noch) nicht gesperrt wurde
Völlig unverständlich ist für Henderson die Tatsache, dass der Weltverband UCI den vierfachen-Tour-Sieger Froome (2013, 2015, 2016, 2017) trotz eines positiven Dopingtests bei der Spanien-Rundfahrt im vergangenen September noch immer nicht gesperrt hat, obwohl der erlaubte Wert des Asthma-Mittels Salbutamol deutlich überschritten wurde. „Da wird bei ihm ein höherer Wert festgestellt als bei einem Fahrer jemals zuvor, und alle anderen wurden gesperrt und er nicht?“, wundert sich Henderson.
In der vergangenen Woche hatte das britische Sportministerium erklärt, dass das Team um Bradley Wiggins gezielt medizinische Ausnahmegenehmigungen – sogenannte TUEs – missbraucht habe, um die Tour de France 2012 zu gewinnen. Wiggins hatte unter dem Deckmantel legitimer medizinischer Gründe leistungssteigernde Kortikoide eingenommen. Die Mittel seien genutzt worden, um die Leistungen der Fahrer zu steigern, nicht aus medizinischer Notwendigkeit.
Heerscharen von Asthmakranken und magische Knieschmerzen
Es ist die Geschichte der Heerscharen von Asthmakranken, die im Radsattel Höchstleistungen vollbringen, und, wie Greg Henderson erzählt, von Hochleistungssportlern „mit den magischen Knieschmerzen“.
Das Wort habe die Runde gemacht, man solle dieses oder jenes Kortikosteroid einnehmen und acht Tage später wieder Rennen fahren. „Das waren diese Fahrer, die am letzten Tag eines Etappenrennens mit Knieschmerzen aufgaben und eine Woche später bei einem Klassiker auftauchten und dich in Grund und Boden fuhren. Das ist oft passiert.“
Zu dem Missbrauch von Kortikosteroiden im Allgemeinen sagte Henderson: „Wenn man ein Kortikosteroid braucht, um Rad fahren zu können, sollte man eine Pause einlegen und sich erholen – und vielleicht sogar im Bett liegen. Aber klar, außerhalb eines Wettbewerbs ist es erlaubt, und wenn man es während eines Rennens im System hat, braucht man eine Ausnahmegenehmigung, und die hatten sie.“
Solche TUEs hatte Wiggins kurz vor der Tour de France 2011 und 2012 und dem Giro d’Italia 2013. „Einer der Ärzte sagte, Brad hätte Allergien und bräuchte das Medikament, um Chancengleichheit herzustellen“, so Henderson, „aber die Frage ist doch, ob es gleiche Voraussetzungen schafft oder ihm einen Vorteil verschafft.“
Das Team Sky könne sich den Mund fusselig reden und darauf beharren, es habe keine Regeln verletzt, aber es bewege sich in einer Grauzone und „es geht darum, ob die Leute denken, es ist moralisch einwandfrei oder nicht“. Die Schlussfolgerung des Neuseeländers, der 16 Jahre lang Profi war, ist eindeutig: „Wenn das Verhalten verdächtig ist und die Dinge nicht so gehandhabt werden, wie sie sollten, dann ist für solche Teams kein Platz.“
(Copyright: Sissi Stein-Abel)