2023 - Deutsch
UPDATE
In Zusammenarbeit mit meinem Bruder ist es mir gelungen, dieser unsäglichen Geschichte auf den Grund zu gehen. Während der deutsche Zoll mir gegenüber weiterhin behauptet, die Ursache der zu Unrecht erhobenen Zollgebühren sei die Schuld der ausländischen Post, so sagt der geänderte Gebührenbescheid des deutschen Zolls etwas ganz anderes: nämlich, dass die DHL quasi in Vertretung des Zolls anfallende Gebühren dem Zoll meldet und dieser dann ungeprüft Gebührenbescheide erstellt. Diese Gebühren plus eigene Servicepauschale kassiert die DHL dann bei der Zustellung der Päckchen an der Haustür ab.
Mein Bruder hat dann also trotz aller Fallstricke Einspruch erhoben und hat nach knapp zwei Monaten nicht nur die Zollgebühren zurückerhalten, sondern auch die angeblich nicht erstattungsfähige Servicepauschale der DHL ("Kulanz").
Der geänderte Zollbescheid ist vier DIN-A-4-Seiten lang. Auf Seite 2 schreibt der Zoll, dass die Deutsche Post AG Postsendungen "mit gesetzlicher Vollmacht" zum "zollrechtlich freien Verkehr" anmeldet. Dann wird jeder einzelne Gegenstand, der im Päckchen war, zollrechtlich abgehandelt. In meinem Fall befanden sich drei Gegenstände im Päckchen.
Auf Seite 4 steht kurz vor Schluss: "Die Position 4 war fälschlicherweise eine Zusammenfassung aller 3 Positionen. Aufgrund der nachgereichten Zollinhaltserklärung konnte es nachgewiesen werden. Die zu viel gezahlte Einfuhrumsatzsteuer wird vollständig erstattet."
Was war also die geheimnisvolle Position 4?
Antwort: die Summe der Wertangaben der Positionen 1 bis 3, die im Englischen unter "Total" - auf Deutsch: Gesamtwert - in der Zollinhaltserklärung angegeben werden muss! DHL und Zoll hatten also zu den einzelnen Werten noch einmal den Gesamtwert addiert. Bei einem Gesamtwert, wie in meinem Fall, von rund 27 Euro kommt man dann auf einen Gesamtwert von 54 Euro und muss folglich Zollgebühren bzw. Einfuhrumsatzsteuer zahlen! Sagenhaft!
Deutscher Zoll und Post/DHL auf dünnem Eis
Päckchen von privat zu privat mit einem Warenwert unter 45 Euro nach wie vor zollfrei sind, erheben die Zollämter willkürlich saftige Gebühren, und bei jedem zu Unrecht erteilten Gebührenbescheid kassiert die Deutsche Post AG/DHL mit einer Servicepauschale mit.
Die größte Frechheit: Wenn man es schafft, mit einem abschreckend komplizierten Formular oder auch gar nicht so formlos, wie die Formulierung verheißt, eine Erstattung der Zollgebühren zu erwirken, bleibt man auf der Servicepauschale der DHL sitzen, denn sie ist nicht erstattungsfähig.
Ich habe keine Beweise dafür, dass diese unsägliche Bereicherung eine koordinierte Initiative staatlicher Einrichtungen ist, um den Laden Deutschland am Laufen zu halten, aber den Verdacht könnte man auch als jemand, der kein Verschwörungstheoretiker ist, schon bekommen.
Ich habe das Thema für eine Story im September 2021 recherchiert und im Dezember 2021 veröffentlicht. Da sich an den Zuständen nichts geändert hat, werde ich meine Aktivitäten im Kampf gegen - bestenfalls - Unfähigkeit und - im schlechtesten Fall - Staatsbetrug erhöhen.
Und ich weiß, dass sich nichts geändert hat, weil im Facebook-Forum der Deutschen in Neuseeland solche Klagen an der Tagesordnung sind und mir mein Bruder gestern mitteilte, dass er für mein Päckchen mit einem Kinder-T-Shirt, einer Stofftasche und fünf Postkarten mit einem Warenwert von 45 NZ-Dollar = 27 Euro sage und schreibe 15,77 Euro zahlen musste: 9,77 Euro Zoll und 6 Euro Servicepauschale der DHL
Unten meine aktualisierte Story vom Dezember 2021. Links ein Update. Neue ausführliche Story mit Links für die Rückerstattung von Einfuhrumsatzsteuer (Zollgebühr) und Servicepauschale der DHL auf der neuen Seite: Duo infernale.
Zoll und Post:
Die Mörder der freundlichen Gesten
Von Sissi Stein-Abel
CHRISTCHURCH. Kristina S. hat einen Neuseeland-Kalender an ihre Freundin Birgit in Deutschland geschickt. Wert: umgerechnet 10 Euro. Plus 15 Euro Porto. Eine kleine Weihnachtsfreude vom anderen Ende der Welt. Dachte sie. Doch dann erzählt ihr Birgit, dass sie für das Geschenk 8,50 Euro Zoll zahlen musste, abkassiert an der Haustür von DHL. Noch mehr als ihre Freundin ärgert sich jedoch Kristina S. „Hätte ich das gewusst, hätte ich einen Zehner zwischen die Kalenderblätter gesteckt“, sagt sie. „Wenn man etwas verschenkt, will man doch nicht, dass der Empfänger dafür bezahlen muss.“
Das Schlimmste: In vielen Fällen, wenn Familienmitglieder und Freunde in der alten Heimat Päckchen mit Selbstgestricktem, Selbstgemaltem und Selbstgebasteltem aus dem Nicht-EU-Ausland erhalten, ist die Erhebung von Zollgebühren und Steuern unberechtigt. „Wenn der Warenwert unter 45 Euro liegt, ist eine Geschenksendung zoll- und einfuhrumsatzsteuerfrei“, bestätigt André Lenz, Pressesprecher der Generalzolldirektion in Bonn.
Und, wie man auch auf der Website des Zolls (www.zoll.de) nachlesen kann, eine als Geschenksendung gekennzeichnete Sendung – auf Englisch „gift“ – ist eine Geschenksendung, wenn sie von einer Privatperson an eine andere Privatperson geschickt wird, keinen kommerziellen Zweck hat, das heißt nur gelegentlich erfolgt, und zum persönlichen Ge- und Verbrauch bestimmt ist, und wenn der Empfänger den Absender nicht dafür bezahlt.
Klarer geht’s eigentlich nicht. Aber bereits an diesen simpelsten der eigenen Regularien scheitert der Zoll. Die Post, DHL und andere Paketdienstleister sitzen aber im selben Boot, denn sie kassieren nicht nur die Zollgebühren, sondern auch noch eine Service-Pauschale, die sie nicht etwa dem Zoll, sondern dem Empfänger der Päckchen in Rechnung stellen. Und oft eben zu Unrecht.
Nicht nur Kristina S. in Christchurch und ihre Freundin in Deutschland können ein Lied davon singen. Dutzende Auswanderer und abgezockte Beschenkte machen ihrem Ärger im Facebook-Forum „Deutsche in Neuseeland“ Luft.
Beispiele:
„Selbstgestrickter Pullover für ein Frühchen, 16 Euro Zoll.“
„Hatte ein kleines Päckchen nach Deutschland aufgegeben. War nicht teuer, war auch nicht viel drin. Ein Brief, ein selbstgemaltes Bild meines Sohnes und ein kleines T- Shirt fürs Patenkind. Aber meine Schwester musste 10 Euro Zoll zahlen. Zoll wofür? Der Sachwert war absichtlich unter 30 NZ-Dollar. Das Porto war 23 NZ-Dollar.“ (Das sind 17,90 bzw. 13,70 Euro.)
„Hab meiner Schwiegermutter ein Album mit Fotos von ihrem Urlaub hier geschickt, Geschenk angekreuzt, und trotzdem musste sie 27 Euro zahlen. Bin echt sauer. Kleine Geschenke von Familienangehörigen zu verzollen, ist einfach nur unverschämt.“
„Hab mich echt geärgert und entschieden, nichts mehr zu schicken.“
An anderer Stelle bitten abkassierte Empfänger all ihre Freunde im Ausland, keine Geschenke mehr zu schicken. Nicole G. nennt Zoll und Post deshalb „die Mörder der freundlichen Gesten und des Geistes der Weihnachtszeit“.
Wer aus anderen Drittländern Geschenke nach Deutschland – und auch in andere EU-Länder - schickt, macht genau dieselbe Erfahrung. „Ich musste 16 Euro Zoll für ein Minipaket aus Australien zahlen“, schreibt die frustrierte Empfängerin eines Geschenks.
Ein Schalterbeamter in Deutschland erzählt, dass kürzlich eine Frau, die im Ausland im Krankenhaus war, für ihre eigene nachgeschickte Wäsche Zoll zahlen musste. Und das Ganze ist eine Lotterie. „Wir haben schon öfter Päckchen von der Familie meines Mannes aus Neuseeland bekommen, und es ist einfach sehr willkürlich“, schreibt eine Userin. „Zwei Pakete kamen ohne Wenn und Aber an unsere Wohnungstür, drei andere mussten wir beim Hauptzollamt abholen und nach großer Diskussion nichts zahlen.“
Laut Pressesprecher Lenz kann es auch „zu einer Abgabenberechnung kommen, wenn Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der Sendung tatsächlich um ein Geschenk handelt“. Die Freigrenze für Geschenke werde leider oftmals, insbesondere von Händlern, für Steuerbetrug missbraucht.“ Darüber erbost sich Kristina S.: „Der Zoll übertreibt es. Auch wenn viel betrogen wird, können dafür doch nicht die ehrlichen Leute bezahlen, und es ist unfair, wenn viele Menschen keine Geschenke mehr bekommen, nur weil der Zoll Fehler macht.“
Zu Unrecht erhobene Abgaben hat es schon immer gegeben, aber seit zum 1. Juli 2021 in der EU umfangreiche Rechtsänderungen für Post- und Kuriersendungen in Kraft getreten sind, scheinen Chaos und Ärger neue Ausmaße angenommen zu haben.
Bei einer Anfrage im September, in der er die Probleme als „vermutlich Anlaufschwierigkeiten“ bezeichnete, teilte Zoll-Pressesprecher Lenz in einer E-Mail mit: „In den vergangenen Wochen hat es offenbar bei der Post (in mehreren Ländern) einige Schwierigkeiten bei der Datenübermittlung gegeben. Dadurch wurden fälschlicherweise Geschenksendungen als normale Sendungen angemeldet.“ Diese "Falschanmeldungen“, schreibt Lenz, „fallen beim Zoll nicht auf, da Postsendungen in der Regel über elektronische Listen (Sammelanmeldungen) angemeldet werden.“
Diese Anmeldungen übernehmen in der Regel die Post- und Kurierdienstleister, für die die neuen Anmeldebestimmungen einen zusätzlichen Aufwand bedeuten. „Bisher“, so Lenz, „konnten alle Sendungen analog über die Zollinhaltserklärung auf der Außenseite des Paketes angemeldet werden, um die sich der Versender gekümmert hat.“ Was Lenz nicht sagte: Genau das muss der Versender noch immer tun – und in weitaus größerem Detail als früher, sogar mit Gramm-Angaben der einzelnen Gegenstände.
Die gute Nachricht, dass man bei zu Unrecht ausgestelltem Abgabenbescheid beim zuständigen Hauptzollamt eine Rückerstattung verlangen kann, wird schnell durch die Realität ad absurdum geführt. Zum einen, weil der Aufwand, um ein paar Euro zurückzubekommen, ein abschreckender Marathon durch den deutschen Bürokratie-Dschungel ist. Der Zoll teilt auf seiner Website sogar mit, dass Zollgebühren unter 10 Euro in der Regel nicht erstattet werden, aber man könne geringere Beträge ausdrücklich zurückverlangen. Als wären 10 Euro nichts!
Zum anderen ist der Vorgang absurd, weil der Empfänger nur die Zollgebühren zurückbekommt. Auf der Service-Pauschale der Zusteller bleibt er sitzen, weil sie laut Lenz „keine Einfuhrabgabe und deshalb nicht erstattungsfähig ist“.
Das Ganze funktioniert nämlich so: Bei der Abfertigung in den zentralen Posteingangsstellen erstellt der Zoll einen Abgabenbescheid und gibt ihn an Post/DHL und Co. weiter, die dann in Vertretung des Empfängers in Vorleistung gehen.
Im Klartext: Der Zoll macht einen Fehler, die Post akzeptiert die fehlerhafte Arbeit ungeprüft, zahlt und verlangt für die unerwünschte Serviceleistung eine zusätzliche Gebühr, gegen die der Kunde keine Handhabe hat. Wut und Frustration treten an die Stelle von Freude über ein Geschenk. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten! Alles Gute zum Geburtstag! Viel Freude mit jedweden gebührenpflichtigen Geschenken! Der deutsche Zoll macht's möglich.
INFO
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