13.12. Deutsche Ärztin

Dr. Heike Hundemer: "Jenseits der Vorstellungskraft"

Erst kürzlich führte das Krankenhaus in Whakatane seinen Drill für Katastrophen mit vielen Verletzten durch. Aber was am Montag nach dem Vulkanausbruch auf White Island über das kleine Hospital hereinbrach, „war jenseits der Vorstellungskraft“, erzählt die aus Heidelberg stammende Klinik-Direktorin Dr. Heike Hundemer (41), die seit sechs Jahren in Neuseeland und seit vier Jahren in Whakatane lebt und arbeitet, im Gespräch mit Sissi Stein-Abel.

Sie sind Spezialistin für Anästhesie und Notfallmedizin. Waren Sie auf einen Einsatz wie nach der Eruption auf White Island vorbereitet?

Dr. Heike Hundemer: Wie alle Krankenhäuser probt unser Team den Ernstfall für Unfälle mit einer Vielzahl von Opfern. Wir hatten in unserer Notaufnahme erst kürzlich so eine Übung, an der alle Ärzte, Pflegekräfte und der Rettungsdienst teilnahmen. Aber womit wir am Montag konfrontiert waren, war jenseits der Vorstellungskraft.

Wie lief der Einsatz im Krankenhaus ab?

Hundemer: Sämtliches Krankenhaus-Personal begab sich so schnell wie möglich in die Notaufnahme, und der Notfallplan löste auch sofort den Alarm aus, dass sich zusätzliches Personal aus der ganzen Region – der Bay of Plenty – sofort auf den Weg nach Whakatane machte. An einem normalen Tag sind bei uns zwei Ärzte und sechs Pflegekräfte in unserer Notfallaufnahme im Dienst. Als am Montag das Ausmaß und die Schwere der Verletzungen klar waren, befanden sich rund 100 Fachleute in unserer Notaufnahme, Intensivstation und den Operationssälen. Alle Betten waren belegt und wir nutzten jede Ressource, die uns zur Verfügung stand.

Bekommen Sie in Ihrer Klinik oft so schwere Fälle wie am Montag?

Hundemer: In unserem kleinen Krankenhaus wäre es ein signifikantes Ereignis, wenn an einem Tag eine einzige Person mit so schweren Verletzungen, wie wir sie am Montag dutzendweise hatten, zur Behandlung käme. Wir hätten unser Trauma-Team aktiviert. Für das, was am Montag passierte, kann man nicht wirklich planen.

Haben Sie schon einmal eine ähnliche Anzahl von schwer verletzten Menschen in einem Krankenhaus behandelt?

Hundemer: Ich habe in Deutschland und in Neuseeland in großen medizinischen Zentren gearbeitet, in Heidelberg und Mannheim sowie am Middlemore-Hospital in Auckland, aber ich habe es nie erlebt, dass so viele lebensgefährlich verletzte Menschen innerhalb so kurzer Zeit in eine Notaufnahme eingeliefert wurden.

Wie verkraften Sie und Ihre Kollegen diese traumatischen Erlebnisse?

Hundemer: Unsere Mitarbeiter sind von dem, was sie gesehen haben, tief betroffen. Wir sind ein eng verbundenes Team in einer kleinen Stadt. Die Kollegen haben einige der Todesopfer, die sie behandelt haben, gut gekannt. Für mich persönlich war es wichtig, jedem Patienten, den ich behandelte, Trost zu spenden. Ich sagte ihnen, dass sie innerhalb eines erfahrenen Teams in guten Händen waren. Wir sind professionelle und mitfühlende Menschen. Wir werden diese Menschen, die wir behandelt haben, niemals vergessen. Wir denken an sie und wir fühlen mit ihnen, ihren Familien und Freunden.

Haben Sie auch mit den verletzten Deutschen gesprochen?

Hundemer: Ich habe mit allen Patienten gesprochen, aber nicht aufgeschnappt, ob jemand aus Deutschland war. Viele waren physisch ohnehin nicht in der Lage, einem solche Informationen zu geben.

(Interview/Copyright: Sissi Stein-Abel)