01.08. Plüschi-Festival

Konferenz der Kuscheltiere mit Ingebär & Co.

WIEN. Mit der Oldtimer-Straßenbahn zum Heurigen nach Grinzing zockeln. Vor dem Riesenrad im Prater auf der Wiese hocken und zum Gruppenbild posieren. Im Kinderkarussell einige zackige Runden drehen. Den Turm des Stephansdoms besteigen und in den Parkanlagen des Belvedere oder von Schloss Schönbrunn die Blicke auf Wien genießen. Auf Hecken und Balustraden sitzend, aus Rucksäcken guckend.

Die Touristen, die einige Tage die österreichische Hauptstadt unsicher gemacht haben und in jeder Lebenslage fotografiert wurden, sind nämlich Plüschtiere; es war eine Gruppenreise der anderen Art. 190 offiziell registrierte, aber letztlich viel, viel mehr Kuscheltiere in Begleitung von 78 Menschen aus aller Welt trafen sich in Wien zur zweiten „International Fluffy Convention“ (IFC), dem Festival der Plüschtiere, die durch Mund-zu-Mund-Propaganda und die sozialen Medien zueinandergefunden haben.

Klar, dass auch der Gastgeber ein Teddy war: Mr. Blumi, das bärige Maskottchen des gediegenen „Austria Classic Hotel Wien“. Er nennt die Hoteldirektorin Ingeborg Seitz seine Sekretärin, ihr Rufname bei den Gästen ist aber Ingebär.

Sonderservice für alleinreisende Katzen und Bären

Die 48-jährige Wienerin und ihre Schwester Roswitha kümmern sich sogar um alleinreisende Plüschis wie die beiden rothaarigen Katzenkumpel Tom und Nudwig, der einen Sprachfehler hat und eigentlich Ludwig heißt und aus Regensburg stammt.

Der Zuspruch ist enorm. „Es wollten viel mehr Leute kommen“, erzählt Ingeborg Seitz, „aber wir mussten die Teilnehmerzahl begrenzen – und ich denke, das Limit ist erreicht.“ Beim ersten Festival vor fünf Jahren reisten 50 Menschen mit ihren Bären, Schafen, Affen, Hunden, Eseln, Pandas, Fröschen, Erdmännchen, Hasen und Krümelmonstern an, diesmal gab es sogar eine Warteliste.

Ein Aushang im Fahrstuhl warnte plüschlose Gäste vor der Invasion der mit Namensschildern ausgestatteten Fellträger: „Wir garantieren, dass alle Plüschtiere ungefährlich und stubenrein sind und nicht fusseln!“

Kind gebliebene Erwachsene

Es gab sicherlich den einen oder anderen Besucher, der beim Anblick der Kind gebliebenen Erwachsenen die Augen verdrehte, aber die Resonanz war überwältigend positiv. „Bei der Premiere haben uns die ‚normalen’ Gäste bei der Eröffnung bloß beobachtet, aber gelächelt haben viele“, sagt die Direktorin, „und es ist doch herrlich, wenn man jemandem ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann.“

Das Motto der jetzigen Zweitauflage war „Aloha“, der hawaiianische Begriff für Liebe, Zuneigung, Nächstenliebe und Mitgefühl, und das trifft in vielerlei Hinsicht zu: die Liebe der Menschen zu ihren Plüschtieren, die Freundschaften, die in den sozialen Medien geknüpft und bei solchen Treffen vertieft werden, und nicht zuletzt steht es für den guten Zweck, dem es die Organisatoren gewidmet haben. Die Anmeldegebühren sowie die Einnahmen aus Tombola-Losen, Memorabilienverkauf und Spenden kommen dem St.-Anna-Kinderspital in Wien zugute.

Das Festival trägt dem Trend Rechnung, dass sich immer mehr Menschen dazu bekennen, mit Plüschtieren zu verreisen. Laut einer Studie ist jeder siebte Deutsche mit Teddy und Co. unterwegs. In England sollen 2,7 Millionen „Felllose“ in kuscheliger Begleitung reisen. Kürzlich traf sich dort in Alton in Südostengland eine Gruppe zum jährlichen „Teddybear Festival“.

"Viele trauen sich bloß nicht, es zu zeigen"

Es gibt sogar Veranstalter, die Städtetouren und Rundreisen für Kuscheltiere anbieten. „Vermutlich sind es noch viel mehr Leute“, sagt Ingeborg Seitz. „Viele trauen sich bloß nicht, es zu zeigen, und lassen ihre Tiere im Zimmer oder im Auto. Aber die Zimmermädchen sehen sie ja und erzählen es.“

Das Spektrum der Plüschtierhalter ist ein Querschnitt durch alle Gesellschaftsschichten: Lehrer, Lagerarbeiter, Sekretärinnen, Fotografen, Rentner, Universitätslektoren, Versicherungsagenten, Personalleiter, Mechaniker, ja, sogar ein Psychologe ist dabei. Es sind Verheiratete, Singles, Kinderreiche und Kinderlose. Für viele ist der Plüschtier-Spleen längst eine Paar- und Familienangelegenheit geworden.

Sie wohnen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Belgien, Luxemburg, Neuseeland, den USA, England, Irland, Wales, Dänemark. Unterm Jahr kommt es regelmäßig zu kleinen regionalen Treffen und wenn Teddy oder Mausi aus Übersee auf der Durchreise sind. Drumherum hat sich eine Mini-Textilindustrie etabliert. Es wird nach Maß geschneidert, gestrickt und gehäkelt, um die geliebten Lebensgefährten ordentlich mit Lederhosen, Hemden, Kleidern, Röcken, Jacken und Mänteln auszustaffieren.

Krücke, Spinnerei, Leidenschaft

Für manche „Felllosen“ sind die Plüschtiere sicherlich eine Krücke, um ihre Einsamkeit und Schüchternheit zu überwinden, für andere lediglich eine kleine Spinnerei. Oder eine große. Es gibt beispielsweise einen Mann, der mit zwei schwarzen Schafen reist, aber zu Hause mehrere tausend Plüschtiere hortet, weil er ihren entzückenden Blicken einfach nicht widerstehen kann.

Dass hier die Identitäten verschwiegen werden, hat zwei Gründe: Zum einen hat der Eine oder die Andere berufliche Probleme zu befürchten, sollte die Liebe zu den Plüschtieren publik werden. Zum anderen hat Facebook Kuscheltieren den Krieg erklärt und löscht aufgrund der Klarnamen-Pflicht regelmäßig Konten von Teddy, Brumm und Susi-Bär, so dass die Tiere unter den Namen ihrer Besitzer oder mit Phantasienamen registriert sind. So können sich auf dieser Internet-Plattform weiterhin Pornographen und Kinderschänder austoben, nicht aber harmlose Plüschtiere.

Trotzdem finden die Tiere zueinander, und das Hotel Wien unterstützt die Leidenschaft. Dabei ist Ingeborg Seitz nicht einmal die Erfinderin des Festivals. Ihre Freundin Lucinda Dillon aus Mountrath in der irischen Grafschaft Laois hatte bei einem Besuch vor sieben Jahren „nach einigen Bieren“ die Idee, die Freunde ihrer Bärendame Miss Beddy bei einem Treffen zu versammeln. Da kam ihr eine Bekannte mit Hotel an der Hand wie gerufen, und kurz danach wurde Mr. Blumi als Maskottchen geboren. Der Rest ist Geschichte.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)