11.04. Homophobie & Hölle

Australiens frommer Rugby-Star vom Teufel geritten

Dieser Höhenflug findet jetzt aber ein abruptes Ende. Der nationale Verband, Rugby Australia (RA), und der Verband von New South Wales (NSWRU), für dessen Topmannschaft, die Waratahs, Folau in Sydney spielt, kündigten gestern Abend in einer gemeinsamen Erklärung an, den millionenschweren Vier-Jahres-Vertrag des 30-jährigen Wundermanns aufzulösen. Dies bedeutet Karriere-Ende statt Weltmeisterschaft vom 20. September bis 2. November in Japan.

Der Grund: Ziemlich genau ein Jahr nach seinen homophoben Äußerungen auf Instagram, einem kostenlosen Online-Dienst zum Teilen von Fotos und Videos, wurde der streng religiöse Folau wieder einmal vom Teufel geritten.

Am Mittwochabend nahm er eine Gesetzesänderung im Bundesstaat Tasmanien zum Anlass, unter Berufung auf die Galater im Neuen Testament „Trinker, Homosexuelle, Ehebrecher, Lügner, Hurenböcke, Diebe, Atheisten und Götzendiener“ zu warnen, dass sie „das Reich Gottes nicht erben werden“ (Kapitel 5, Verse 19 – 21). Laut Apostelgeschichte kämen sie in die Hölle, wenn sie keine Buße tun. Nur Jesus Christus rette und befreie die „vielen Menschen, die der Teufel auf dieser Welt verblendet hat“.

So manch einer "liked" die Aussagen

Das fanden zwar einige Mitstreiter des unbeugsamen Starspielers, auch ein All Black in Neuseeland, gut, indem sie die Kommentare mit einem „Like“ versahen, aber die Stimmen der Entrüstung dies- und jenseits der Tasmansee verstummten gestern den ganzen Tag nicht. Selbst Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern verurteilte die Aussagen („Ich bin da völlig anderer Meinung“). Eine überwältigende Mehrheit forderte Folaus Kopf.

Rugby Australia blieb praktisch gar nichts anderes übrig, als sofort zu reagieren – im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als Geschäftsführerin Raelene Castle zwei Wochen lang schwieg und dann nicht viel tat.

In einer ersten Erklärung am Vorabend hatte es geheißen, der Inhalt des Posts sei inakzeptabel. Die auf Instagram und Twitter veröffentlichten Aussagen „repräsentieren die Werte des Sports nicht und sind respektlos gegenüber Mitgliedern der Rugby-Gemeinschaft“. Aus diesem Grund befasste sich der Integritätsausschuss, der für die Einhaltung des Verhaltenskodex zuständig ist, umgehend mit der Angelegenheit.

Zwar gelang es den beiden Rugby-Verbänden gestern den ganzen Tag nicht, Folau zu erreichen, aber die Entscheidung stand fest. „Wir haben es Israel wiederholt klargemacht, dass weitere solche Kommentare disziplinarische Maßnahmen nach sich ziehen würden“, hieß es in dem Statement.

Sponsor Qantas "wirklich enttäuscht"

Die Lage war doppelt prekär, da der Vertrag von Rugby Australia mit Sponsor Qantas zum Jahresende ausläuft und neu verhandelt werden muss. Ein Sprecher der nationalen Fluggesellschaft nannte Folas Kommentare „wirklich enttäuschend“ und sie reflektierten in keiner Weise „den Geist der Inklusivität, die wir unterstützen“.

Nicht nur deshalb konnte es laut Ex-Nationalspieler Peter FitzSimons nur eine Lösung des Problems geben. „Israel Folau muss gehen und wird gehen. Schnell. Sauber. Weg. Zumindest so lange, bis er Buße tut“, schrieb der 57-jährige Kolumnist in der Tageszeitung Sydney Morning Herald.

Der neuseeländische Ex-Nationalspieler Adam Thomson forderte, Folaus Klub, die Waratahs, so lange zu boykottieren, bis der kontroverse Profi gefeuert würde. „Die ständige Verbreitung religiöser, fanatischer Bigotterie ist mehr als gefährlich für die Werte unseres Spiels“, so der 37-jährige Thomson. Für FitzSimons stand fest, dass sich der Verband „eine Pein wie im Vorjahr nicht leisten kann, als der Sport Sponsoren, Fans und Unterstützung verlor“.

Damals hatte Raelene Castle Folaus Ansichten noch als Teil seines fundamentalistisch-christlichen Glaubens akzeptiert, die Sponsoren besänftigt und lediglich ein Rundschreiben versandt, in dem sie die Profis an ihre Pflichten erinnerte und um einen verantwortungsvollen Umgang mit sozialen Medien bat.

Eine tickende Zeitbombe

Seither war der 30-jährige Sohn tonganischer Eltern, der mit einer neuseeländischen Netball-Nationalspielerin verheiratet ist, auffällig still gewesen. Doch er war eine tickende Zeitbombe, die hochging, als das tasmanische Parlament ein Gesetz verabschiedete, nach dem Personen über 16 Jahren die Geschlechtsangabe in ihren Geburtsurkunden ändern lassen können, auch wenn sie nicht den objektiven biologischen Fakten entspricht.

In seinem Wutausbruch bezog der Rugbystar die von ihm gehassten Homosexuellen mit ein, obwohl sie in den von ihm zitierten Galater-Versen mit keinem Wort erwähnt sind. Die bekanntesten Schwulen im Rugbysport kommen aus Wales: der weltbeste Schiedsrichter Nigel Owens, der sich 2007 outete, und Ex-Nationalspieler Gareth Thomas, der es erst nach dem Ende seiner Karriere 2009 wagte, sich öffentlich zu seiner Sexualität zu bekennen.

In seiner Antwort auf Folaus neuerliche Verbalattacke schrieb Thomas auf Twitter: „Ich schreibe das nicht hasserfüllt oder wütend. Ich schreibe das voller Mitgefühl. Jeder, der das liest: Lass dich nicht von seinen Worten beeinflussen. Sei der bessere Mensch und sei du selbst. Auf dich wartet nicht die Hölle, sondern die Glückseligkeit.“

Der Weltverband, World Rugby (WR), führt - wie auch Australiens Verband – eine Inklusivitätskampagne, und die WR-Statuten enthalten eine Passage, nach der ein nationaler Verband Spieler bestrafen muss, die gegen den Verhaltenskodex verstoßen. In Artikel 20 sind unter Punkt (c ) „Handlungen, Aussagen und Verhaltensweisen“ aufgeführt, „die aufgrund von Religion, Rasse, Geschlecht, sexueller Orientierung, Behinderung, Hautfarbe oder ethnischer Herkunft diskriminierend sind“. Ein eindeutiger Fall also.

Aber das war Folau, der auch schon im Dreizehner-Rugby (Rugby League) und Australien Rules Football (ARF) erfolgreich war, ganz offenbar schnuppe. Der 73-fache Nationalspieler hatte vor einem Jahr erklärt, dass ihm sein Glaube wichtiger ist als Rugby und dass er dafür seine Karriere opfern würde. Jetzt ist es soweit. Der Weltverband schreibt die Regeln: Kapitel 20, Vers 4.

INFO

20 Wochen Spielsperre für rassistische Beleidigung

Ein Spieler des Waihora Rugby Clubs in der Nähe von Christchurch, Neuseeland, wurde mit 20 Spielwochen Sperre belegt, weil er einen fidschianischen Spieler des Gegners Marist Albion am 23. März – also nur acht Tage nach den Attentaten auf die beiden Moscheen in Christchurch - rassistisch beleidigt hatte.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Akteur dieses Klubs für solch ein Vergehen aus dem Verkehr gezogen wurde. Vor drei Jahren wurde ein Teamkollege für 46 Wochen gesperrt, nachdem er ebenfalls gegen einen dunkelhäutigen Spieler aus Fidschi ausfällig geworden war.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)

CHRISTCHURCH/SYDNEY. Bis gestern war Israel Folau Australiens Superstar der Rugbysparte Rugby Union; das ist das von Neuseelands All Blacks dominierte Fünfzehner-Rugby. Erst dieser Tage ist der vielseitige, pfeilschnelle Fullback (Schlussmann), Mittelfeld- und Flügelspieler zum erfolgreichsten Punktesammler aller Zeiten in der seit 1996 existierenden SuperRugby-Liga der südlichen Hemisphäre aufgestiegen.

21.04.2019

"Jeder weiß, was mit Lügnern passiert..."

In der Zwischenzeit haben sich einige Mitspieler und auch Australiens Nationalcoach Michael Cheika von Israel Folau distanziert.

Cheika sagte, er werde Folau auf keinen Fall für weitere Einsätze nominieren. Michael Hooper, Kapitän der Wallabies ( = Nationalteam), erklärte als nur einer von mehreren Spielern, er könne es sich nur schwer vorstellen, mit Folau jemals wieder in einer Mannschaft zu spielen.

Der ehemalige Teamkollege Drew Mitchell erinnerte Folau an dessen Worte vor einem Jahr, als Folau gesagt hatte, er würde seine Karriere opfern, wenn er und seine Aussagen für Rugby Australia untragbar würden. Seine Worte und Taten stünden in Widerspruch zu dieser Ankündigung. "Die Tatsache, dass Rugby Australia den Vertrag auflösen möchte, zeigt, dass er untragbar geworden ist. Ich mag mir nicht vorstellen, dass Izzy ein Lügner ist, denn wir wissen alle, was mit ihnen passiert..."

Ungeachtet dessen hat Folau eine Verhandlung vor dem Sportgericht des Verbandes verlangt. Er wurde von den Waratahs suspendiert.