13.04. Rugby und Religion
Moslem "SBW" ruft Gott und die Welt auf den Plan
In den frühen Jahren seiner Karriere hüpfte Jonathan Edwards sonntags nie in die Grube. Das kostete den Briten, der seit 1995 mit 18,29 Metern den Dreisprung-Weltrekord hält, die Teilnahme an den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 1991 in Tokio.
Danach schloss der Olympiasieger von Sydney 2000 einen Kompromiss mit seinem Vater, einem Vikar, und betrieb seinen Sport auch sonntags, weil „Gott mir das Talent dafür gegeben hat“ – bloß um einige Jahre später seinen christlichen Glauben zu verlieren.
Manche muslimische Topathleten sind während des Fastenmonats Ramadan so ausgelaugt, dass sie sich nicht in der Lage fühlen, Höchstleistungen zu vollbringen. Aus diesem Grund verzichtete der britische Boxer Amir Khan 2014 auf einen Weltmeisterschaftskampf gegen Superstar Floyd Mayweather Jr.
Sonny Bill Williams, der nach einer wilden Sturm- und Drangzeit 2008 zum Islam konvertierte, brachte eine neue Variante des Einflusses der Religion auf den Sport ins Spiel, als er bei seinem Comeback in der Superrugby-Liga zwei Logos des Sponsors Bank of New Zealand (BNZ) auf dem Trikotkragen seines neuen Klubs, den Blues in Auckland, mit Leukoplast überklebte.
Keine Werbung für Banken, auch nicht auf dem Kragen
Das hat in Neuseeland Gott und die Welt auf den Plan gerufen, und letztlich natürlich auch den Verein und den nationalen Rugby-Verband NZR. Letzteren, weil die Profis in Neuseeland ihre Verträge nicht mit den Klubs abschließen, sondern mit der Dachorganisation.
Nach einigen Tagen der Irritation einigten sich die NZR und die Blues darauf, dass Williams, der nach einem Achillessehnenriss am Wochenende sein Saisondebüt gegeben hatte, künftig in einem Trikot ohne Bankenwerbung auflaufen darf und an keinen PR-Maßnahmen für die BNZ und Investec, den Hauptsponsor der Superrugby-Liga der südlichen Hemisphäre, teilnehmen muss.
Der Verband gab bekannt, Williams, den sie der Einfachheit halber SBW nennen, habe „in seinem Kontrakt aus Gewissensgründen Widerspruch gegen Werbung für Finanzfirmen, Banken, Alkoholproduzenten, Tabakwaren-Hersteller und Glücksspielfirmen eingelegt“. Ähnliche Fälle habe es in der Vergangenheit schon gegeben, wenn auch nicht mit religiösem Hintergrund. So hatten sich einige Spieler geweigert, in Werbeaufnahmen für die Fastfood-Kette KFC (Kentucky Fried Chicken) zu erscheinen.
"Es ist Kernpunkt meines Glaubens"
Der 31 Jahre alte Muskelmann, der für die All Blacks, Neuseelands Weltmeister-Team, 33 Mal im Einsatz war, sagte in einer Erklärung: „Ich möchte klarstellen, dass ich persönlich nichts gegen die BNZ oder Investec habe. Es ist ein Kernpunkt meines Glaubens, keine Kleidung mit solcher Werbung zu tragen.“
Warum er zwar die beiden BNZ-Logos überklebt hatte, nicht aber das weitaus größere Symbol von Investec, einer internationalen Banken- und Wertanlagen-Gruppe, erklärt vielleicht die Aussage: „Da ich dazulerne und ein tieferes Verständnis für meinen Glauben entwickle, fühle ich mich nicht mehr wohl dabei, Dinge zu tun, die ich früher getan habe.“
Im Islamischen Finanzwesen müssen Finanzdienstleistungen mit den Regeln des Islam und der Scharia, dem religiösen Gesetz des Islam, in Einklang stehen. Zinsen, Spekulation und Glücksspiel sind verboten. Demnach dürfen Banken unter anderem keine Geldzinsgeschäfte durchführen.
Um dennoch Kreditgeschäfte machen zu können, haben die Banken Sachmittelkredite entwickelt. Dabei werden im Auftrag des Kunden Sachgüter gekauft und dann an diesen mit Aufpreis weiterverkauft. Auch Versicherungsgesellschaften müssen nach den Gesetzen der Scharia operieren.
Im Extremfall kein Spiel in einer Allianz-Arena
Diesen Gedanken spann Prof. Paul Morris, ein Dozent religiöser Studien an der Universität von Auckland, in einem Gespräch mit den Fairfax-Medien weiter: SBW könnte sich im Extremfall weigern, im AMI-Stadion (in Christchurch) oder im Westpac-Stadion (in Wellington) zu spielen. Oder in einer Allianz-Arena. Auch die Blues haben in NIB einen Versicherer als Co-Sponsor.
Die Pflasteraktion hat der Bank of New Zealand zunächst mehr genützt als geschadet, denn das Thema war tagelang nicht aus den Schlagzeilen zu verbannen und jeder wollte wissen, wessen Logo Williams zugepflastert hatte.
Langfristig könnte sich Williams‘ Weigerung, mit bestimmter Sponsorenwerbung aufzulaufen, jedoch als Bumerang erweisen und seine Karriere gefährden, denn letztlich bezahlen die Werbepartner sein Gehalt.
Einem großen Landsmann ist es so ergangen. Michael Jones, ein gläubiger Christ, lehnte es ab, sonntags zu spielen. Dadurch verpasste der als drittbester All Black des 20. Jahrhunderts eingestufte Akteur bei der Weltmeisterschaft 1991 drei Spiele – mit der Folge, dass ihn der Trainer bei der WM 1995 zu Hause ließ, weil Jones für das Viertel- und Halbfinale nicht zur Verfügung gestanden hätte.
(Copyright: Sissi Stein-Abel)