04.10. Politiker-Abwege

Das satirische Leben eines kurzperiodischen Kometen

Colin Craig ist eine Art kurzperiodischer Komet. Kaum entdeckt, schon verglüht. Aber im Gegensatz zu den Himmelskörpern, die nur höchst selten zu sehen sind, war der Gründer der Konservativen Partei Neuseelands in den vergangenen Wochen wieder einmal allgegenwärtig. Er hat nicht die Sonne umkreist, sondern die Wahrheit.

Deshalb stand er in Auckland vor Gericht, wo im Rahmen der einmonatigen Beweisaufnahme die Rezitation einer Kollektion von verschmähten Liebesgedichten und SMS-Nachrichten tagelang für Erheiterung bei den Zuschauern und später beim Fernsehvolk sorgte.

Eine Jury fand den 48-jährigen Millionär, der im vergangenen Jahr als Vorsitzender seiner eigenen Partei erst suspendiert worden und dann zurückgetreten (worden) war, der Diffamierung für schuldig. Er muss dem Vorsitzenden der Gewerkschaft der Steuerzahler, Jordan Williams, 1,27 Millionen NZ-Dollar (926.000 Euro) Schadensersatz zahlen, quasi einen Dollar für jedes der 1,2 Millionen Flugblätter, die er in Auckland verteilt und in denen er behauptet hatte, Williams habe gelogen, als dieser sagte, Craig habe seine ehemalige Pressereferentin Rachel MacGregor sexuell belästigt. Die Höhe der Geldstrafe ist nationaler Rekord.

Zusätzliche Strafe für gebrochenes Stillschweigeabkommen

Zwar wird der in den Ruhestand gezwungene Ex-Politiker in Berufung gehen, aber mit dem Urteil endete auch die Sperrfrist für die Nachricht, dass Craig bereits vor einem halben Jahr MacGregor wegen „schwerer Demütigung, Verlust der Würde und Verletzung der Gefühle“ 128.780 NZ-Dollar (94.000 Euro) Schmerzensgeld gezahlt hat – ebenfalls ein Novum im Land der Kiwis. Dazu hat ihn die Beschwerdestelle des neuseeländischen Menschenrechtsgerichts im vergangenen März verurteilt.

Das Gremium bestrafte Craig für wiederholte Verstöße gegen eine mit Mediatoren des Menschengerichts ausgehandelte Vereinbarung, die beide Parteien zum Stillschweigen über die Gründe für MacGregors Kündigung verpflichtete. Er habe „seine Macht und seinen Wohlstand missbraucht“. Die Journalistin hatte zwei Tage vor den Parlamentswahlen 2014 ihren Job hingeworfen und Craig wegen sexueller Belästigung angezeigt.

Doch anstatt den Mund zu halten, plauderte Craig in aller Öffentlichkeit munter über MacGregor, die er als „Mätresse, Unruhestifterin, mental instabil, Lügnerin und Erpresserin“ bezeichnete. Er räumte ein, seine Avancen, inklusive anzüglicher Emails und der gerichtsrelevanten Gedichte, seien für einen verheirateten Mann unangebracht gewesen, zu Sex sei es jedoch nicht gekommen. Seine Ehefrau Helen, stets mit altjüngferlichem Dutt, stand stets treu und ergeben neben ihrem jugendlich wirkenden Gatten.

TV-Interview in voller Montur in aufgeheizter Sauna

Sein unvergesslichstes TV-Interview gab der großgewachsene, schlanke Mann im Juni 2015 schweißtriefend, aber mit Jeans, Poloshirt und Schuhen bekleidet in einer voll aufgeheizten Sauna. Es war der Anfang vom Ende seiner Karriere in der Partei, die er erst 2011 gegründet hatte, mit vier Millionen NZ-Dollar (2,9 Millionen Euro) finanzierte und die 2014 bei den Wahlen 4,1 Prozent der Stimmen erhielt – zu wenig, um ins Parlament einzuziehen, aber genug, um weiterhin seinen Senf zu den Zuständen in Neuseeland zu geben.

So wie Donald Trump mit seinen Ansichten die Welt erstaunt, so sehr läuft auch der verglühte Komet Colin Craig, der als Inhaber mehrerer Immobilienverwaltungsfirmen zu seinem Reichtum gekommen ist, in sehr exzentrischen Bahnen. Seine Lockerheit demonstrierte der Erzkonservative auf einem Wahlplaket, auf dem er verträumt auf einer Wiese liegt.

Seine Worte beweisen das Gegenteil. Der nicht-praktizierende Christ bezeichnet die Homosexuellen-Ehe als „soziale Manipulation“, für die am Tag der Abrechnung die Strafe folgen werde. Sie reflektiere das Versagen der Demokratie. Er ist gegen das Adoptionsrecht für Schwule, Abtreibung für Jugendliche und die Ausgabe von Mahlzeiten an sozialschwache Kinder. Craig denkt, der Klimawandel werde nicht von Menschen verursacht, sondern von Sonnenfleckenaktivität und dem „Umlauf von Planeten“.

Auch Frauen und Maori auf dem Kieker

Neuseelands Frauen bezeichnete er als die promiskuitivsten der Welt, und den Maori trat er auf den Schlips, als er mit Blick auf deren traditionelle Begrüßungsrituale sagte, es sei keinem Besucher zuzumuten, „einem nacktarschigen Einheimischen gegenübertreten zu müssen, der bedrohliche Gesten macht“, wenn der Gast keine Lust darauf habe.

Er hat den ehemaligen Vorsitzenden der Grünen wegen Diffamierung verklagt, als er seine Einstellung als „frauen- und schwulenfeindlich“ bezeichnete; die Parteien einigten sich außergerichtlich.

Sogar dem Autor einer Satire-Website (The Civilian) drohte er, ihn vor Gericht zu zerren, weil seine Storys so gestrickt seien, „dass sie mich lächerlich machen“. Doch dafür sorgt Colin Craig längst selbst. Es ist das richtige Leben, auch wenn es oft nach Satire klingt.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)