14.04. Unterm Fußvolk

Auf Tuchfühlung mit Royals und Republikanern

Um meine neugewonnene Unterwürfigkeit zu demonstrieren, verzichtete ich bei der Christchurch-Visite des vereinigten Königsreichspaars auf meine privilegierte Journalistenposition innerhalb der Absperrgitter und mischte mich außerhalb der Barrieren unters gemeine Fußvolk.

CHRISTCHURCH. Jetzt kann ich’s ja zugeben: Die Queen ist auch meine Königin. Prinz William mein Prinz. Herzogin Catherine meine künftige Königin Kate. Und der kleine Prinz George, naja, ein Baby. Bei meiner Einbürgerungszeremonie vor knapp zwei Monaten musste ich nämlich schwören, mich nicht nur an die Gesetze Neuseelands zu halten, sondern auch meine treue Untertanenpflicht gegenüber Elizabeth II. sowie ihren Erben und Nachfolgern im fernen England zu erfüllen.

Es war ein unerwartet genialer Schachzug, denn man kommt den reichen Royals bei so einem Staatsbesuch viel näher, wenn man nicht zum Tross der Akkreditierten gehört. Die Medienvertreter werden sicherheitsdienstlich durchleuchtet, ehe sie Zutritt zum Kreis der Erlauchten erhalten, und müssen dann doch einen sichtbar deutlichen Abstand zu den Thronhaltern und –folgern halten. Sie sind geduldet, aber nicht geliebt. Fragen können nur über die Kommunikationsabteilung gestellt werden.

Die meisten Antworten erhält man jedoch von den Unterprivilegierten auf der anderen Seite der Gitter, denn mit denen plaudern die irdischen Götter ausgiebig und schütteln ihre Hände. Und es scheint ihnen richtig Spaß zu machen, sie strahlen sich fast die Augen aus den leuchtenden Gesichtern, ihr Lachen kommt von Herzen. Kein Wunder bei all der Liebe und Zuneigung, die ihnen auf all ihren Wegen entgegenschwappen.

Niemand kontrolliert jene, die draußen stehen. Wir könnten Pistolen und Kleinkalibergewehre in Jacken-, Handtaschen und Rucksäcken tragen. Die Bodyguards schirmen ihre wertvollen Objekte nach hinten, sprich nach innen ab. Gegen die Honoratioren, die das Herzogspaar begleiten dürfen? Oder gegen die Journalisten? Um die Mittagszeit sollen William und Kate am Latimer Square eintreffen. Dort ist das Bad in der Menge geplant, im Anschluss an eine Gesprächsrunde mit Angehörigen der 115 Menschen, die beim Erdbeben am 22. Februar 2011 im einstürzenden CTV-Gebäude gestorben sind, und einen Besuch in der benachbarten neuen Pappkathedrale.

Schon vor acht Uhr sichern sich die ersten Königshausfans Stehplätze direkt an den silberglänzenden Stahlgittern. Sie hängen Transparente mit dem Union Jack und dem Verlobungsfoto des Traumpaars auf oder hüllen sich in die Fahnen ein. Manche tragen Flaggenhüte und –zylinder, kleine Mädchen goldene Pappkronen; eine junge Frau hat sich eine Maske der Queen vors Gesicht gezogen. Andere versuchen mit skurrilen Kopfbedeckungen aufzufallen, und zahlreiche Frauen haben sich mit ihren Kindern bewaffnet, wohlwissend, dass dies Jungmutter Kate anzieht wie Motten das Licht.

Ich stelle mich zwei Stunden später hinter zwei Reihen junger und älterer Frauen in das morastige Gras und als Kaiserin Sissi vor. Ein reger Austausch über die persönlichen Erfahrungen bei den Erdbeben, den damit verbundenen Hausreparaturen und Umzügen und das Leben im Allgemeinen beginnt, das lässt die Zeit fast wie im Fluge vergehen. Die verwitwete Rentnerin Edith war mit dem Kilt-tragenden Schotten George verheiratet und schreibt ihre Memoiren; ihre Freundin Anne steht vorne an der Barriere, weil sie am kleinsten ist; der Junge links daneben hat Taschengeldsperre, weil er heimlich ein Erwachsenenprogramm angeschaut hat; Colleen mit der Will-und-Kate-Flagge arbeitet für die Stadtverwaltung.

Der Funkturm-hohe Richie in den knielangen kurzen Hosen ist ein australischer Urlauber und am Abend vorher aus Sydney eingetroffen. Dieses Spektakel wollte er sich nicht entgehen lassen. Wir einigen uns darauf, dass es von Charles unfair war, Diana zu heiraten, weil er immer nur Camilla geliebt hat. Das ist wahre Liebe. Aber was sind schon Charles und Camilla, verglichen mit den gutaussehenden, jungen Royals, denen die Welt zu Füßen liegt?!

Richies Größe ist ein Glücksfall, denn er erspäht den nahenden Königstross und Kates rotes Kostüm schon in der Ferne und informiert uns über jede Bewegung live. William schreitet unsere Seite ab, Kate stöckelt an der anderen - kinderreicheren – Seite entlang. Sie schütteln fast jede entgegengereckte Hand.

William rückt näher und näher. Die Hand ausstrecken oder fotografieren? Journalist bleibt Journalist – fotografieren! Anne verpasst ihren Einsatz, Ediths Herz rast, als der Prinz ihre Hand drückt. Richies Arm ist lang genug, um ebenfalls einen Händedruck zu ergattern. Jedem sagt William, wie schön es sei, ihn oder sie zu treffen. Nice to meet you. Kates Hinterteil ist weniger gerundet als Schwester Pippas Po. Doch welch eine zauberhafte Erscheinung!

Aber noch entzückter ist Edith, die ihre Hand küsst, die William geschüttelt hat. Ein Prinz, ein echter Prinz! Und erst Richie, als ich beim Durchzappen meiner Fotos feststelle, dass ich genau in dem Augenblick abgedrückt hatte, als der künftige König strahlend seine Pranke drückte! „Das ist das tollste Urlaubserlebnis meines Lebens!“, jubiliert er, und er hat – außer Cardiff - die ganze Welt bereist.

Ich verspreche ihm, das Bild zu mailen. „Das muss gefeiert werden, ich lade Dich zum Mittagessen ein“, sagt er, ehe er die Einladung auf Edith und Anne erweitert.

Vom Lunch geht’s auf ein Glas Wein in ein Café am Avon. Die Stunden plätschern dahin. Die Royals, die am Mittwoch nach Australien weiterreisen, haben drei Völker verbunden. Dank Doppelpass bin ich auch noch Deutsche. Und Republikanerin.