25.03. Pinguin-Paradies
Einzelgänger auf der Flucht vor neugierigen Nachbarn
Von Sissi Stein-Abel
DUNEDIN. Der Pipikaretu Beach ist einer jener langen, weißen Traumstände auf der windzerzausten Otago-Halbinsel, in deren Einsamkeit Besucher sich verlieren. Ein Naturparadies, in dem sich Seelöwen und Seebären in der Sonne aalen.
Info Gelbaugenpinguine
Der Gelbaugenpinguin (Megadyptes antipodes) ist die seltenste und mit 70 Zentimetern Größe und rund acht Kilo Gewicht die drittgrößte Pinguinart der Welt; nur der Kaiser- und der Königspinguin sind größer.
Er kommt nur im Südosten der Südinsel Neuseelands, auf Stewart und Campbell Island sowie auf den subantarktischen Auckland Islands vor, die ebenfalls zu Neuseeland gehören, und kann bis zu 25 Jahre alt werden.
Viele sterben in den ersten drei Lebensjahren; wer diese Phase übersteht, lebt im Schnitt 12 bis 15 Jahre.
Gelbaugenpinguine sind scheue Einzelgänger, lassen sich nicht zähmen und migrieren nicht.
Pinguine stürzen sich in aller Herrgottsfrühe in die Brandung und watscheln nach der Futtersuche zu ihren Nestern und Schlafplätzen zurück. Die putzigen Zwergpinguine tun’s in Gruppen, wenn die Nacht hereinbricht, die nur in Neuseeland vorkommenden großen Gelbaugenpinguine schon am Spätnachmittag, einer nach dem anderen.
Sie sind Einzelgänger. Und jetzt wackelt ein Prachtexemplar mit glänzender, blütenweißer Brust und dem typischen gelben Streifen rund um den Kopf leicht vornüber gebeugt durchs Gras und dann den Hügel hinauf. „Das ist Dougs Sohn, er ist drei Jahre alt“, sagt Glen Riley. „Er war nach der Mauser heute zum ersten Mal zurück im Meer.“
Der 27-jährige Riley ist stellvertretender Manager des Penguin Place, der es sich, wie auch einige andere private Organisationen und die Naturschutzbehörde DOC, zur Aufgabe gemacht hat, die drittgrößte Pinguin-Art der Welt vor dem Aussterben zu retten.
60 Gelbaugenpinguine sind an einer rätselhaften Krankheit gestorben
Nur rund 600 Exemplare der seltensten Spezies leben im Südosten der Südinsel Neuseelands. Die Gesamtzahl, inklusive der Tiere der Stewart- und Campbell-Insel sowie der subantarktischen Auckland-Inseln, liegt bei ungefähr 3000. Umso schlimmer ist der Verlust mehr als 60 erwachsenen Gelbaugenpinguinen, die seit Februar auf der Otago-Halbinsel – fast alle am selben Strand - an einer rätselhaften Krankheit gestorben sind.
So mysteriös das Massensterben auch ist, das Phänomen ist nicht neu. 1990 wurden mehr als 100 Tiere dahingerafft. Zoologen der Universität von Otago in Dunedin vermuten als Ursache Biotoxine, die bei warmem Wetter, entsprechend warmem Oberflächenwasser, das wiederum stärkeren Algenwachstum zur Folge hat, in erhöhter Konzentration auftreten.
Allein: Die Obduktion der toten Vögel ist ergebnislos verlaufen. „Um herauszufinden, um welches Biotoxin es sich handelt, muss man wissen, wonach man sucht“, sagt Prof. Philip Sutton. „Vielleicht haben wir noch nicht danach gesucht, oder in den falschen Gewebeproben, oder es gibt für dieses Gift noch gar keine Testmethode. Es ist schwieriger, als nach einer Nadel im Heuhaufen zu suchen – weil auch die Nadel aus Heu besteht.“
Ganztägige Pinguin-Garantie von Oktober bis April
Noch sind in der Strand- und Dünenlandschaft so viele Gelbaugenpinguine zu sehen, dass der Penguin Place, für den die Familie des Gründers Howard McGrouther 1985 zehn Prozent der Fläche ihrer weitläufigen Schaffarm abzwackte, den Besuchern eine Pinguin-Garantie geben kann. Deshalb finden nur vom Frühjahr bis zum Herbst (Anfang Oktober bis Ende April) ganztägig Touren statt. „Nur da können wir sicher sein, dass Tiere hier sind“, sagt Glen Riley. „Im Winter kommen sie nur am Spätnachmittag zum Schlafen. Da findet dann nur eine Tour statt, am Winteranfang um 15.15 Uhr, später dann um 15.45 Uhr.“ Die übliche Arbeit im Winter auf der Südhalbkugel hat nicht direkt mit den Pinguinen zu tun. Die Dünen und das angrenzende Grasland des Penguin Place werden mit immer mehr einheimischen Büschen und Bäumen bepflanzt, um den ungeselligen Pinguinen ein optimales Umfeld zu bieten. „Als Einzelgänger lassen sie nur dort nieder, wo sie ihre Nachbarn nicht sehen“, erzählt Glen Riley.
Das für Besucher interessante Halbjahr beginnt Anfang Oktober, wenn die Vögel jeweils zwei Eier legen und ausbrüten. Anfang November schlüpfen die Küken, die im Februar, wenn sie dicke Kullerbälle sind, die Nester verlassen.
Die Eltern ziehen dann für zwei, drei Wochen aufs Meer hinaus und fressen sich so viel Fett an, dass sie die vierwöchige Mauser überstehen. Schließlich wechseln die Küken, die grau-blaue Augen haben, ihre flauschigen braunen Daunen gegen weiße Federn und lernen, Fische zu fangen. Erst nach einem Jahr bei der nächsten Mauser bekommen sie den gelben Federring am Kopf.
Netzwerk aus abgedeckten Schützengräben und Tunnels
Sissi bei der Arbeit.
Interview mit Glen Riley.
Brutpaare brüten jedes Jahr zwei Eier aus. Ihre schlimmsten Feinde sind Possums, Marder, Frettchen, verwilderte Hauskatzen und freilaufende Hunde.
Der Penguin Place auf der Otago-Halbinsel, vor den Toren der Stadt Dunedin, finanziert sich ausschließlich aus den Eintrittsgeldern von jährlich rund 40.000 Besuchern.
Internet: www.penguinplace.co.nz
Aus luftiger Perspektive wirkt das Hinterland des Pipikaretu-Strandes wie ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Ein Netzwerk aus abgedeckten Schützengräben und Tunnels verbindet ein Dutzend Holzverschläge in den Sanddünen, aus denen kleine, flüsternde Menschengruppen ins Freie starren. Die gedämpften Entzückensrufe und das Klicken der Kameras stört die scheuen Pinguine nicht. „Die Hütten und die Geräusche sind Teil ihrer natürlichen Umgebung“, sagt Glen Riley.
Die bedauernswertesten Pinguine sind jene in der Mauser. Ihr Gefieder ist zerfleddert, und sie bewegen sich kaum von der Stelle. Mal stehen sie, mal liegen sie inmitten eines wie von Frau Holle ausgeschütteten weißen Federbetts im Gras. 50.000 Federn müssen sie wechseln, bevor sie ins Meer zurück und fressen können. Vier Wochen dauert die Tortur. In dieser Zeit verlieren die bis zu 70 Zentimeter großen und acht Kilo schweren Vögel die Hälfte ihres Körpergewichts.
Nur ein Drittel des Strandes ist für Besucher zugänglich – und genau in diesem Abschnitt gedeihen die Pinguine am besten, „weil wir hier“, so Riley, „natürlich sofort sehen, ob ein Pinguin krank oder verletzt ist“.
Krankenhaus hinter dem Besucherzentrum
Solche Tiere landen umgehend im Pinguinkrankenhaus hinter dem Besucherzentrum, das Patienten des südlichen Küstenabschnitts von Otago und Southland aufnimmt. Hier wurden auch 30 Waisen der kürzlich tot aufgefundenen Tiere aufgepäppelt.
Nach der Zwangsfütterung mit jeweils einem Kilo Fisch pro Tag stehen sie unbeweglich da und sehen aus wie ausgestopft. Erst wenn sie fünfeinhalb Kilo wiegen, werden sie am Strand freigelassen. Sofern sie nicht von einem Seelöwen verspeist werden, kehren sie nach Hause zurück – obwohl sie einander nicht leiden können.