26.04. William in Prinzenrolle

"Dem Hass muss man mit Liebe begegnen"

CHRISTCHURCH. Es war ein warmer, sonniger Morgen in Christchurch. Der Ostwind wehte bunte Herbstblätter aus dem Hagley Park zur Al-Nur-Moschee hinüber. Irgendwie ein fröhliches, friedliches Bild. Das Gegenteil des Anlasses, aus dem Prinz William die Glaubensstätte in der zweitgrößten Stadt Neuseelands besuchte.

Der britische Thronanwärter kam im Auftrag seiner Großmutter, Königin Elizabeth II., die das offizielle Staatsoberhaupt der konstitutionellen Monarchie im Südpazifik ist, um den Überlebenden und Angehörigen der 50 Opfer der beiden Terrorattacken vom 15. März zu versichern, dass das britische Königshaus und die ganze Welt hinter ihnen und der entsetzten Nation stehe. In seiner Rede in der 1985 eröffneten Moschee, in der vor sechs Wochen 42 Menschen starben, sagte der 36-jährige Herzog von Cambridge, die Reaktion der Menschen in Christchurch und im ganzen Land, die Liebe, das Mitgefühl und die Solidarität, „hat die Welt inspiriert“.

"Zusammenstehen, um Extremismus in all seinen Formen zu bekämpfen"

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Sissi Stein-Abel

Fußpatrouillen, Bombenspürhunde und Absperrgitter

Die Absicht des Attentäters sei gewesen, die Gesellschaft und die muslimische Gemeinschaft zu entzweien. Das Gegenteil sei jedoch passiert: „Die Attacken haben uns und unsere muslimischen Freunde nähergebracht. Ich bin hier, um Euch dabei zu helfen, der Welt zu zeigen, dass der Attentäter gescheitert ist. Dem globalen Idealismus des Hasses wird es nicht gelingen, uns zu spalten. Trauer kann die Perspektive ändern, aber nicht, wer wir sind. Wir müssen zusammenstehen, um Extremismus in all seinen Formen zu bekämpfen.“ Neuseeland und die muslimische Gemeinschaft hätten den Weg aufgezeigt, wie man dem Hass begegnen müsse: „Mit Liebe.“

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sprach Prinz William, der Neuseeland das erste Mal besuchte, „als ich noch nicht laufen konnte“, und der das britische Königshaus auch schon nach den Erdbeben 2011 in Christchurch repräsentiert hatte, fast eine Stunde lang mit den Mitgliedern der islamischen Kultstätte.

Am Nachmittag besuchte er auch noch die Gläubigen in der Moschee in Linwood, in der am 15. März acht Menschen erschossen wurden. Rund ein Dutzend schwerbewaffneter Polizisten bewachte den Enkel der Queen auf Schritt und Tritt, die Rotoren von Eagle-Hubschraubern dröhnten über der Stadt. Um das Sicherheitsrisiko so gering wie möglich zu halten, blieb der Zeitplan des freundlichen Royals bei seiner nicht einmal 36-stündigen Stippvisite geheim.

Bevor er am Erdbeben-Denkmal am Avon einen Kranz niederlegte, sicherte die Polizei das Areal: Beamte mit Kameras und Ferngläsern auf Balkons, Fußpatrouillen, die Büsche und Kanalschächte nach verdächtigen Gegenständen durchsuchten, Bombenspürhunde, Absperrgitter.

An diesen Barrieren spazierte der Prinz zum Abschluss seines Besuchs entlang, der einzige Termin, den die Medien – und auch erst am Abend vorher – veröffentlichen durften. Er schüttelte Hände, plauderte angeregt mit vielen der rund 500 Schaulustigen, und er lachte viel. Die Stimmung war plötzlich so gelassen und heiter wie sonst bei Besuchen der Royals, die Last der Trauer verscheucht. „Vielen Dank, dass Du gekommen bist!“, riefen ihm die Leute zu.

Es war das Gefühl, das alle ausdrückten, die den Horror am 15. März aus nächster Nähe miterleben mussten und die der Enkelsohn der Queen bei Kaiserwetter besuchte: Überlebende, Ärzte, Pfleger, Polizisten. „Wir waren alle überwältigt, dass er sich die Mühe gemacht hat und zu uns gekommen ist“, sagte Polizeichef Mike Bush, „aber William sagte: Ein guter Freund greift nicht zum Telefon, wenn ihn die Leute brauchen, sondern du gehst zu ihnen und nimmst sie in die Arme.“ Oder wie es Gamel Fouda, der Imam der Al-Nur-Moschee ausdrückte: „Er hat uns gezeigt, dass wir zählen.“

(Copyright: Sissi Stein-Abel)