01.11. Lawinenunglück

Zwei Schwaben sterben unter den Schneemassen

CHRISTCHURCH. Bei einem Lawinenunglück in Neuseeland sind zwei erfahrene deutsche Bergsteiger ums Leben gekommen. Die Frau, die die beiden zum Gipfel des 3.216 Meter hohen Mt. Hicks im Mt. Cook-Nationalpark geführt hatten, überlebte wie durch ein Wunder unverletzt.

Bei den Bergführern handelt es sich um den 58-jährigen Wolfgang Maier und den 50-jährigen Martin Hess; beide stammen aus Württemberg, Maier aus Ulm, Hess aus Tübingen. Ihre Leichen wurden nach Christchurch, die größte Stadt der Südinsel Neuseelands, gebracht.

Bei der verhängnisvollen Tour am 3.216 Meter hohen Mt. Hicks, einem Nachbarberg des Mt. Cook, mit 3.724 Metern der höchste Berg Neuseelands, war Hess als Helfer von Maier unterwegs. Diese Unterstützung sei nötig gewesen, weil die Besteigung dieses Bergs auch für die erfahrensten Kletterer eine Herausforderung darstelle, sagte Jane Morris, die Vorsitzende der neuseeländischen Bergführer-Vereinigung NZMGA.

Das deutsche Duo führte eine landesweit bekannte Neuseeländerin zum Gipfel. Jo (Joanne) Morgan ist die Ehefrau des steinreichen Ökonomen, Investmentmanagers und Philanthropen Gareth Morgan, der bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr – erfolglos - mit einer eigenen Partei (Opportunities Party) antrat. Das abenteuerlustige Ehepaar hat sämtliche Kontinente auf Motorrädern bereist. Jo Morgan gilt als erfahrene Bergsteigerin. Der Mt. Hicks war der vorletzte Berg in der Liste der 24 Dreitausender Neuseelands, die sie bezwungen hatte. Wolfgang Maier hatte sie auf den 22 vorangegangenen Touren begleitet.

Risikofaktor Neuschnee auf vereistem Altschnee

Das größte Problem bei der Besteigung des Mt. Hicks war der Neuschnee. Am Sonntag hatte es das Trio zur Empress Hut, einer Schutzhütte oberhalb des Hooker-Gletschers, geschafft. Dort saßen sie aufgrund miserablen Wetters bis Mittwoch fest.

In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch begannen sie mit dem Aufstieg, weil für diese Zeit ein 22-stündiges Wetterfenster günstigere Bedingungen verhieß. Um 2 Uhr nachts (Ortszeit) erreichten sie den Gipfel und stiegen an der Südwest-Kante des Bergs wieder ab. Um 5.30 Uhr brach die Lawine los und riss die Bergsteiger mit sich.

Während die beiden Deutschen tief unter den Schneemassen begraben wurden und später nur noch tot geborgen werden konnten, überlebte Jo Morgan wie durch ein Wunder, aber auch dank ihres Trainings für solche Situationen. „Ich habe mit den Armen Schwimmbewegungen gemacht, dadurch konnte ich mich nahe an der Oberfläche halten“, erzählte sie in einem Beitrag des Fernsehsenders Newshub.

Dadurch konnte sie bereits nach 30 Minuten ihren PLB (Personal Locator Beacon) aktivieren, das ist ein Sender, mit dem man in einer Notsituation Alarmsignale aussenden kann, und sich innerhalb von 50 Minuten freigraben. Schon um 7.30 Uhr war ein Rettungsteam an Ort und Stelle, aber für Wolfgang Maier und Martin Hess kam jede Hilfe zu spät.

Überlebende Frau sagt: "Wir haben nichts Törichtes getan"

Als die Bergsteiger in die Tiefe gerissen wurden, waren sie als Seilschaft unterwegs, das heißt sie waren an einem Sicherungsseil miteinander verbunden. „Wir waren alle unter den Schneemassen begraben, aber mein Gesicht war außerhalb, deshalb konnte ich weiteratmen“, sagte Jo Morgan später. „Wir haben nichts Törichtes getan. Aber wir haben einen Hang betreten, der mit jener Art Schnee bedeckt war, auf dem man Lawinen lostreten kann.“

Inspektor Dave Gaskin von der Einsatzzentrale der Polizei sagte, die jüngste Wetterentwicklung habe ein hohes Lawinenrisiko geborgen. „Es war in letzter Zeit sehr, sehr kalt, der Schnee war gefroren und Neuschnee ist darauf gefallen“, sagte er. „Wenn Neuschnee auf Eis liegt, ist die Wahrscheinlichkeit von Lawinen extrem hoch.“

Die Bergsteiger seien ein hohes Risiko eingegangen, den Berg bei solchen Bedingungen zu besteigen. Jo Morgan wirkte ruhig und fassungslos zugleich. „Ich habe vermutlich nur durch unverschämtes Glück überlebt und meine Freunde, mit denen ich viele Berge bestiegen habe, haben es nicht geschafft“, sagte sie, „deshalb bin ich am Boden zerstört.“

Wolfgang Maier: Vom Bankkaufmann zum Bergführer

Der gelernte Bankkaufmann Wolfgang Maier, der im Jahr 2000 das Klettern zum Beruf machte, ist in Ulm aufgewachsen. 2007 kam er nach Neuseeland und wohnte in Lake Tekapo, das ist ein Ort am gleichnamigen See im Hochland von Canterbury. Der Mt. Cook-Nationalpark, in dem das Unglück geschah, ist nur einen Katzensprung von dort entfernt.

Laut Jane Morris, der Vorsitzenden der neuseeländischen Bergführer-Vereinigung NZMGA, pendelte Maier zwischen Europa und Neuseeland, um die beiden Sommer an den entgegengesetzten Enden der Welt auszunutzen. Im europäischen Sommer führte er Touren in den Alpen, sein Lieblingsberg war der Mont Blanc. Bei dem Unternehmen „Berg und Tal“ in der Schweiz ist Maier als Bergführer aufgelistet. Der letzte Wohnsitz des Vaters von zwei Söhnen war Perth in Westaustralien, wo er mit seiner Partnerin Tracey lebte.

Als Maier 2007 in Neuseeland ankam, war er als Chefbergführer bei „Alpine Recreation“ beschäftigt, einem 1981 von dem mittlerweile verstorbenen deutschen Alpinisten Gottlieb Braun-Elwert in Lake Tekapo gegründeten Unternehmen. Dort arbeitete er – wie auch Martin Hess - seit einigen Jahren nur noch freiberuflich, wie Geschäftsführerin Anne Braun-Elwert betonte.

Nach eigenen Angaben hat er sämtliche bekannten Berge der neuseeländischen Südalpen erklommen und dort auch Touren geführt. Der Schwabe war auch ein begeisterter Skitourengänger und Kletterer, das Eisklettern an steilen Flanken liebte er ganz besonders.

"Sie waren wie Brüder"

Mit dem gebürtigen Tübinger Martin Hess verstand er sich blendend, wie Anne Braun-Elwert berichtete. „Sie kamen aus der gleichen Region und sprachen den gleichen Dialekt“, sagte sie. "Sie waren wie Brüder, hatten ein sehr enge Beziehung", erzählte Jochen Hess, der ältere Bruder des verunglückten Martin Hess. "Deshalb ist die Bergsteiger-Gemeinschaft froh, dass die beiden auch jetzt zusammen sind."

Hess hatte vor knapp zwei Wochen seinen 50. Geburtstag gefeiert. Dazu waren eigens seine Eltern aus Deutschland angereist. Sein Bruder Jochen, der gestern nach Christchurch flog, lebt in Sydney. Auf der Website eines Reiseveranstalters beschrieb Hess sich selbst als „Exil-Schwabe“, der gerne für sich und seine Gäste kochte, am liebsten Spätzle.

1999 wanderte der gelernte Bäcker und Konditor nach Neuseeland aus. Er lebte im Ida Valley in der Region Central Otago, südlich des Mt. Cook-Nationalparks, zu Hause. Das ist eine im Winter extrem kalte und im Sommer extrem heiße, trockene, abweisende und menschenleere Gegend, die von abgeflachten Schieferbergen geprägt ist. Laut einem Post auf der Website www.adventureconsultants.com begann Hess 2001 im Alter von 33 Jahren mit dem Bergsteigen und wurde 2003 Bergführer. Bevor er Neuseeland entdeckte und sich in das Land verliebte, bereiste er auf der MS Europa die Welt, arbeitete in der Antarktis, Island und Europa.

Laut seinem Bruder wird Martin Hess eingeäschert und auf See bestattet werden, angesichts seiner Seefahrer-Vergangenheit, das war sein Wunsch.