29.03. Die Zeitungsrolle

Völlig von der Rolle: Trainingslager für Zeitungswerfer

CHRISTCHURCH. Die Erdbeben mit ihren zerstörerischen Auswirkungen – eingestürzte Häuser, kollabierte Klippen, Steinschlag, Untergrundverflüssigung und Überschwemmungen - hat Christchurch hinter sich. Aber jetzt drohen neue Gefahren. Es sind keine Naturkatastrophen, sondern vom Menschen verursachte Bedrohungen.

Die führende lokale Tageszeitung The Press versandte die Schreckensnachricht: Ab 17. April wird das Blatt anders verpackt und verteilt, um den Lesegenuss zu erhöhen. Das könnte jedoch während der Umstellungsphase zu Schäden aller Art sowie Verunsicherung der Abonnenten führen, fürchtet der Verlag und bittet deshalb um Geduld. Und das Ganze nur, weil die Zeitung nicht mehr als eng aufgewickelte Rolle, sondern gefaltet und in Zellophan verpackt in den Vorgarten oder die Garageneinfahrt geworfen wird.

Wie jeder Kugelstoßer oder Diskuswerfer weiß, hat die Änderung der Technik erst einmal unerwünschte Nebenwirkungen. Würfe landen außerhalb des Sektors oder gar im Abfangnetz, das aus Sicherheitsgründen um den Wurfkäfig gespannt ist. Erst nach einigem Üben sind bessere Resultate zu erwarten. Das weiß auch der Vertrieb von The Press.

Zwar entfallen die mühsame Suche nach dem Anfang/Ende des halben Meters Klarsichtfolie, um die Zeitungsrolle aus ihrer Hülle zu pellen, sowie das minutenlange Glattstreichen, -drücken oder gar -bügeln, aber Flugkurve und Landefläche der zusammengelegten Gazette werden sich durch die neue Eintütungsmethode dramatisch verändern. „Da die gefaltete Zeitung nicht so kompakt ist wie die aufgerollte, wird sie nicht so weit fliegen wie bisher“, teilt der Verlag mit Blick auf den höheren Luftwiderstand des Wurfobjekts fest. „Sie wird weiterhin auf Ihr Grundstück geworfen, aber sie wird näher am Straßenrand landen. Deshalb bitten wir um Geduld während dieser Umstellung.“

Durch die geringere Wurfweite wird sich vermutlich die Art der Schäden verändern. Falls es der Flachpack überhaupt über den Gartenzaun schafft und nicht auf dem öffentlichen Gehweg landet, sind nun Blumenbeete entlang des gepflasterten Pfads zur Haustür, den der Freitag- und Samstag-Austräger aus dem fahrenden Auto bislang anvisiert, besonders gefährdet.

Wenn er wieder mal sein Ziel verfehlt, gilt der Spruch: Rosen, Tulpen, Nelken, alle Blumen welken, wenn sie von einer Zeitungsrolle niedergemäht werden.

Diesen Bereich traut sich der Sonntag- bis Donnerstag-Werfer nicht mehr anzupeilen, nachdem sein Papiergeschoss eine nach den Erdbeben frisch reparierte Buntglasscheibe zerschmettert hatte. Seit diesem Malheur feuert er die Rolle in die Zufahrt zur Doppelgarage. Doch selbst diese Fläche ist oft zu klein. Das Blatt landet seitlich davon im Dreck der mit Büschen bepflanzten Rabatte.

Bei Dunkelheit und im Regen sind bei der Zeitungssuche im Kriechgang Taschenlampe und Schutzkleidung unerlässlich. Auch der als Abfanggitter installierte Drahtzaun, den eine außer Kontrolle geratene Mülltonne bei stürmischem Nordwestwind zerfetzte, wurde umgehend repariert, weil die Zeitungsrolle sonst drei Meter tiefer im Matsch oder Unkraut des Nachbargrundstücks landet.

Und nun also kürzere Würfe. Angesichts der Zielgenauigkeit der Werfer trotz jahrelanger Übung scheint ein Trainingslager unerlässlich.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)