12.04. Polizei-Fauxpas

Ein Trump-Fan rastet aus - und die Polizei schaut zu

CHRISTCHURCH. Erst kommt der Aufruf an die Bevölkerung. Die neuseeländische Polizei bittet um die Identifizierung eines dunkelhaarigen, stämmigen Mannes. Er trägt dunkle Kleidung. T-Shirt, knielange Hosen, Baseballkappe. Auf dem Rücken des schwarzen T-Shirts steht in großen weißen Lettern: TRUMP – und in kleineren Buchstaben darunter: „for New Zealand“.

Dieser Mann, sagt die Polizei, habe am Mittwochabend vor der Al-Nur-Moschee, in der bei den Terroranschlägen von Christchurch am 15. März 42 der 50 ermordeten Menschen gestorben sind, mit anti-muslimischen Parolen Mitglieder der Glaubensgemeinde beleidigt, erschreckt und verängstigt. Auf Fahndungsfotos ist der Mann gut zu erkennen.

Aber dann ist da dieses Bild: Neben dem Trump-Anhänger stehen zwei mit Sturmgewehren bewaffnete Polizisten, denn die Moschee in der Deans Avenue wird – wie auch die Moschee in Linwood, in der acht Menschen umgebracht wurden – seit den Attentaten rund um die Uhr bewacht.

Warum wurde der Mann nicht einfach festgenommen?

Warum, fragt natürlich (fast) jeder in Christchurch, musste die Polizei nach diesem Mann fahnden? Warum haben die zwei Beamten ihn nicht einfach festgenommen? Warum mussten stattdessen sechs Kollegen einen ganzen Tag mit der Suche nach dem Missetäter verbringen, ehe er am Donnerstagabend festgenommen wurde?

„Ich sagte zu einem der Beamten, der Mann könnte ja zu Gun City gehen, einige Waffen kaufen, morgen zurückkommen und Menschen umbringen“, sagte ein Zeuge gegenüber der Tageszeitung The Press. Der Polizist, den er als „lässig und respektlos“ beschrieb, habe ihn „gefragt, ob ich weiß, was Meinungsfreiheit ist“. Als der besorgte Zeuge nach dieser bedenklichen Fehlleistung Anzeige gegen ihn erstattete, wurde ihm gesagt, einer der beiden Beamten sei von außerhalb und in seinen Heimatbezirk zurückgekehrt. Vielleicht auch: zurückgeschickt worden? Auf jeden Fall ist er nicht mehr da.

Das bestätigte John Price, der Polizeichef der Region Canterbury, der auch keinen Zweifel daran ließ, dass die Beamten den Trump-Bewunderer hätten festnehmen sollen und nicht bloß mit ihm reden. „Wir hätten mit dieser Angelegenheit besser umgehen können“, sagte Price, der eine interne Untersuchung ankündigte. „Wenn sich Leute gegenüber anderen Mitgliedern der Bevölkerung abscheulich verhalten, dann darf zurecht erwartet werden, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden.“

In der Tat. Schließlich herrscht in Neuseeland noch immer die höchste Alarmstufe. Da sollte die Muslime erwarten können, dass zu ihrem Schutz abgestellte Polizeibeamte öffentlich hinausgebrüllte Islam-Feindlichkeit doppelt ernstnehmen und nicht herunterspielen.

"Ich habe diese Idioten satt" - "Alle Muslime sind Terroristen"

Der 33-jährige Mann, Daniel Nicholas T., nahm die Anklage wegen ungebührlichen Benehmens, das „unter den besonderen Umständen zu gewaltsamen Übergriffen hätte führen können“, gestern [Freitag] in einer Gefängniszelle entgehen. Er wurde per Video-Link ins Bezirksgericht in Christchurch geschaltet und bekannte sich schuldig.

Es blieb ihm auch nichts anderes übrig, denn ein Zeuge hatte seine Hassrede mit Ton und Video aufgenommen. Demnach brüllte T. unter anderem: „Ich habe diese Idioten satt, sie müssen abhauen. Alle Muslime sind Terroristen. Ich habe die Schnauze voll von diesen Muslimen und sie sollen gehen.“

Der Hilfsarbeiter und frühere Fernfahrer sagte, er könne sich nicht an das Geschehen erinnern, er habe einen Blackout gehabt. Er habe nichts gegen muslimische Menschen und sei entsetzt und erschüttert gewesen, als ihm die Polizei das Video vorführte.

Sein Anwalt Steven Hembrow sagte, T. schäme sich zutiefst und könne sein Benehmen nicht erklären. Er sei durch den Hagley Park spaziert, habe Blumen angeschaut und wisse nicht, was als nächstes passierte.

Der Jurist nannte als mögliche Ursache für den Ausraster die Alkohol- und Drogenprobleme seines Mandanten, außerdem habe er seine Medikamente gegen eine Angstneurose vor dem Vorfall nicht mehr eingenommen.

Richterin Bridget Mackintosh entließ Daniel T. unter der Auflage aus der Untersuchungshaft, dass er bis zur Urteilsverkündung am 31. Juli mindestens 500 Meter Abstand zu sämtlichen Moscheen in Christchurch hält.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)