17.05. Harry zum Zweiten
Was isst ein Prinz in der Prinzenrolle?
CHRISTCHURCH. Während seines Militärtrainings in Australien spazierte der Soldat Harry Wales in ein Schnellrestaurant in Fremantle, einem Vorort von Perth, und verlangte „einen Burger mit allem drin“. Die junge Frau am Tresen empfahl den Queen Victoria Burger, gefüllt mit Rindfleisch-Bratling, Speck, Cheddar, Ei, Rote Beete, Salatblatt, Tomatensauce und Mayonnaise.
Harry Wales lachte, war Queen Victoria doch seine 1901 verstorbene Ururururgroßmutter, deren Luxusleben im Londoner Buckingham-Palast nicht gerade Assoziationen zu Fastfood weckt. Doch Harry verdrückte den Burger und eine Portion Pommes mit Genuss. Bei einer anderen Gelegenheit holte sich der Prinz in Uniform in einer Bäckerei in Wattle Grove, südwestlich von Sydney, ein Brötchen mit einer Scheibe Schweinemett, und in einem feinen Restaurant in Perth bestellte er Schweinebauch.
Aber was isst ein hochrangiger Adliger in der Prinzenrolle, in die er während seiner offiziellen Termine schlüpft? Nach Auskunft der Gastronomen, die den Enkelsohn der britischen Königin während seines triumphalen Neuseeland-Besuchs bekochten oder bedienten, stand der Nummer fünf der Thronfolgerliste der Sinn nach einfachen, deftigen Speisen, die ihn an seine Heimat erinnerten.
Mitten unterm Volk, nicht abgeschirmt wie ein VIP
Der 30 Jahre alte Royal präsentierte sich während der achttägigen Reise durchs Land, die am Samstag mit sportlichen Aktivitäten in Auckland endete und viele desinteressierte Beobachter in begeisterte Harry-Fans verwandelte, unkompliziert, volksnah und hemdsärmelig, und entsprechend sollen seine Essenswünsche gewesen sein. Ganz besonders dort, wo er unverhofft mit seinem kleinen Begleittross eintrudelte und darauf bestand, mitten im Gastraum zu sitzen und nicht abgeschirmt wie ein VIP.
Eine Woche vorher seien zwar zwei Tische reserviert worden, „aber wir hatten keine Ahnung, dass Harry kommen würde“, sagte Cade Thornton, der Besitzer des historischen Cardrona Hotels zwischen Wanaka und Queenstown.
Der Prinz bestellte in dem urigen 150 Jahre alten Pub den englischen Klassiker „Bangers & Mash“ für 12,80 Euro, das sind Würstchen auf Kartoffelbrei. Seinen warmen Apfelstreusel (7,90 Euro) teilte er mit dem zweijährigen Hausschnauzer Louie, in den er sich auf den ersten Blick verliebte, und, so Thornton, „er fragte, ob wir den Hund eventuell verkaufen würden“.
Die Antwort war vermutlich die einzige Absage, die sich der begehrte Junggeselle in Neuseeland einhandelte. Umgekehrt lehnte Harry unzählige Heiratsanträge ab, den letzten in Auckland mit der schlagfertigen Begründung: „Du bist eine Nummer zu groß für mich!“
Tatar, Brathähnchen und Weißkohl mit Speck
In Christchurch, im Harlequin Public House, stillte der Prinz seinen Bärenhunger nach einer Trainingseinheit im Fitnessstudio mit Tatar, Brathähnchen und Weißkohl mit Speck. Den kurzen Weg vom Hotel The George, in dem auch Rugby-Mannschaften gerne absteigen, war er zu Fuß gegangen.
Im Heereslager in Linton, in der Nähe von Palmerston North, trug er den Hangi-Korb – das ist ein mit gegartem Fleisch und Gemüse gefülltes Behältnis – zusammen mit einigen Soldaten vom Erdofen (Umu) zu einen Kleintransporter, um diese traditionelle Maori-Mahlzeit im Offizierskasino einzunehmen. Auf Stewart Island lernte Harry die Kunst des Austern-Öffnens, drückte sich aber um eine Kostprobe.
Dort, wo sich die Küchengötter auf den Besuch des Prinzen einstellen konnten, wurde etwas aufwendiger, aber stets mit regionalen Zutaten gekocht, so wie in der Riverrun Lodge, einer exklusiven Unterkunft auf einer Merinoschaffarm in der Nähe von Wanaka.
Zum Mittagessen gab es Lamm, Lachs, Schafskäse-Quiche, gegrilltes Gemüse, Quinoa-Salat, Apfel-Walnuss-Schichtkuchen sowie Schnittchen aus dunkler Schokolade, Datteln und Ingwer. In der Residenz des Generalgouverneurs in Wellington wurden zum Nachmittagskaffee Eier-Sandwiches und süße Kalorienbomben wie Lamingtons (gefüllte Biskuit-Schnitten), Möhrenkuchen, Afghan-und ANZAC-Plätzchen gereicht.
Sportlicher Kampf gegen die täglichen Kalorienbomben
Angesichts dieser kulinarischen Opulenz war es kein Wunder, dass Harry seiner Figur zuliebe täglich Sport trieb – am Ende mehr als ihm lieb war. In Auckland hatte er schon einige Jogging-Kilometer in den Beinen, als er erfuhr, dass sein Hallenfußballspiel mit Kindern, mit dem Kapitän der neuseeländischen U20 im gegnerischen Team, über 15 Minuten gehen würde.
Der junge Windsor zeigte überraschend gute technische Fähigkeiten. Mit einem Volleyschuss erzielte er sogar den 8:7-Siegtreffer für seine Mannschaft.
Es war das i-Tüpfelchen auf eine Reise, von der das einstige Enfant Terrible des englischen Königshauses in den höchsten Tönen schwärmte. „Es war ein unglaublicher Spaß“, sagte Harry, der mit seiner Fröhlichkeit, Kinderliebe, Kontaktfreudigkeit, seinem Witz und Charme so gar nicht dem Bild des durchgeknallten Partyprinzen entsprach, der Nachtklubs und Kneipen unsicher macht, „alles ist einfach phantastisch gewesen.“
Die Liebe war gegenseitig – auch wenn Harry sein Herz bloß an einen Hund und keine Neuseeländerin verlor.
(Copyright: Sissi Stein-Abel)