03.04. Der Name Crusaders

Als Kreuzritter plötzlich nicht mehr salonfähig

Aber seit dem Massenmord am 15. März in der zweitgrößten Stadt Neuseelands, wo ein rechtsextremer Terrorist bei Attentaten auf zwei Moscheen 50 muslimische Glaubensanhänger umbrachte, sind die Crusaders als Crusaders plötzlich nicht mehr salonfähig. Kreuzritter auf einem Kreuzzug, das halten viele für einen Affront gegen die muslimischen Mitbürger.

Zwar sagt Colin Mansbridge, der Geschäftsführer der Franchise – im Gegensatz zu einem Verein ist eine Franchise ein Lizenznehmer; Inhaber ist der nationale Rugby-Verband NZ Rugby –, die Crusaders stünden „für das genaue Gegenteil dessen, was am 15. März passiert ist, nämlich für Frieden, Einheit, Inklusivität und Gemeinschaftssinn“, der Name spiegle den Kampfgeist dieser Gemeinschaft wieder und sei „mit Sicherheit kein religiöses Statement“. Das stimmt hundertprozentig.

Aber auch Mansbridge hat die Problematik erkannt, und er hat sogar Verständnis für die Forderung nach einer Namensänderung, denn es ist ja nicht nur der Name, den viele – inklusive Sportminister Grant Robertson – anstößig finden.

Ein Spiegelbild der mittelalterlichen Orientkreuzzüge

Alles, was die Marke der erfolgreichsten Mannschaft im professionellen Rugby repräsentiert, ist ein Spiegelbild der sieben offiziellen mittelalterlichen Orientkreuzzüge zwischen 1096 und 1272, in denen christliche Ordensritter auf Bitten des Papstes an der Seite von Fürsten, Königen und Mitgliedern des gemeinen Volkes zur Befreiung Jerusalems und gegen die islamische Expansion Krieg führten.

Angefangen beim Logo, einem Schwert schwingenden Kreuzritter mit Helm und Schild, und dem entsprechenden Wappen, bis hin zum Vorprogramm bei den Spielen: Zwischen zwei Festungstürmen stürmen Reiter in Ritterrüstung auf ihren Pferden in die Arena und reiten zum Vangelis-Stück „Conquest of Paradise“ (Eroberung des Paradieses) Schwerter schwingend um den Platz.

Das ist Kampf, das ist Krieg, und meistens endet es mit einem Sieg der in der Rugby-Nation Neuseeland äußerst beliebten Crusaders, die bis zu einer Niederlage vor zwei Wochen bei den Waratahs in Sydney 19 Mal ungeschlagen waren.

Diesen Kontext hat Mansbridge erkannt und für die Begegnung am Samstag (6:15 Uhr MESZ) gegen die Brumbies aus Canberra angekündigt, dass das martialische Vorspiel aus Pietätsgründen nicht stattfinden und „die Partie dem Anlass und den Opfern gerecht werden wird“.

Der erste Auftritt zu Hause seit den Anschlägen

Es ist der erste Auftritt der Crusaders vor heimischem Publikum seit den Anschlägen; ihr Match am Tag nach dem schwarzen Freitag bei den Highlanders in Dunedin wurde abgesagt und als Unentschieden gewertet, danach spielten sie in Sydney und Wellington bei den Hurricanes.

Gestern gaben die Crusaders und der nationale Verband NZ Rugby bekannt, dass sie ein unabhängiges Meinungsforschungsinstitut damit beauftragt haben, Feedback einzuholen und Empfehlungen zum Namen und der Vermarktung der Crusaders auszusprechen.

Dabei geht es laut NZ-Rugby-Boss Steve Tew darum zu klären, ob nur Logo, Wappen und die reitenden Ritter verschwinden müssen oder auch der Name zur Disposition steht. „Den Status quo mit den Rittern auf Pferden beizubehalten, ist aus unserer Sicht nicht mehr tragbar“, so Tew.

In Leserbriefen werden schon seit den Attentaten täglich Namensvorschläge gemacht, angefangen von „The Courage“ (Die Mutigen) über „The Plainsmen“, die Männer der Ebene (von Canterbury), bis hin zu der sarkastischen Anregung: „The Invisible Nobodies“, die unsichtbaren Niemande, „weil dann niemand beleidigt sein kann“. Einige wenige schlugen – allerdings ernsthaft – vor, auch gleich der Stadt einen neuen Namen zu geben.

Niemand dachte sich Böses bei der Namensgebung

Die Crusaders, am Anfang die Canterbury Crusaders, gibt es seit 1996, als die Profizeit im Rugby begann und die Super12-Liga mit den zwölf besten Mannschaften Neuseelands, Australiens und Südafrikas etabliert wurde. Die Vorstände der Franchisen erdachten die Namen der damals fünf neuseeländischen Teams, eine Agentur entwarf die Logos.

Alles musste schnell gehen, so manch einer fand den Namen Crusaders schon in der Gründungsphase nicht sonderlich passend, aber niemand dachte sich Böses dabei, zumal das Wort Kreuzzug in der westlichen Welt im Lauf der Zeit eine positive Konnotation bekommen hat, es gibt beispielsweise Kreuzzüge für Gerechtigkeit und Freiheit.

Das Gegenteil ist in der orientalischen Gesellschaft der Fall. „Dieser Aspekt hat nach den Ereignissen von Christchurch eine neue Relevanz erhalten“, sagt Dr. Lindsay Diggelmann, der an der Universität von Auckland Geschichte lehrt. „Soziale Realitäten und Erwartungen ändern sich im Lauf der Zeit. Was früher akzeptabel war, kann heute inakzeptabel sein.“

"Entscheidung nichts übers Knie brechen"

James Conner, ein Psychologe und Politik-Wissenschaftler, warnt in einem Beitrag in der Tageszeitung The Press jedoch davor, eine Entscheidung so kurz nach dem Massenmord übers Knie zu brechen: „Eine einseitige, halbgare Momentaufnahme der Geschichte könnte das Gegenteil bewirken, indem sie weitere Attacken oder Vergeltungsmaßnahmen radikaler Gruppen an beiden Enden des West/Ost-Spektrums auslöst.“

Auf diesen Zeitfaktor haben die Crusaders von Anfang an hingewiesen und um Geduld für eine Diskussion unter Einbeziehung der muslimischen Bevölkerung gebeten. Bislang stand die Trauer um die Opfer im Mittelpunkt. [Update: Der Aspekt der Einbeziehung der muslimischen Bevölkerung wurde in der Zwischenzeit verworfen, weil die Experten davon ausgehen, dass diese Menschen zu höflich sind, um Kritik zu üben.]

Die Änderung von Namen ist im Zuge neuer Empfindlichkeiten im Sport und anderen Bereichen des Lebens nichts Neues. So haben sich die Washington Bullets (Kugeln) in der amerikanischen Basketball-Liga NBA angesichts steigender Mordraten 1997 in Wizards (Zauberer, Hexenmeister) umbenannt.

Andererseits ignoriert der Besitzer der Washington Redskins (Rothäute) in der American-Football-Liga NFL schon seit Jahrzehnten die Proteste der nativen Amerikaner, genauso wie das Baseball-Team der Cleveland Indians.

Anstößige Ortsbezeichnungen geändert

In Neuseeland bekamen in der jüngeren Vergangenheit anstößige Ortsbezeichnungen politisch korrekte Bezeichnungen in der Maori-Sprache: Aus Nigger Hill wurden 2016 die Kanuka Hills (Kanuka ist eine Art der Südseemyrte), aus dem Niggerhead der Tawhai Hill (Silberbuchenhügel) und aus dem Nigger Stream der Pukio Stream, der Bach des Riedgrases Carex secta.

Solche geographischen Änderungen sind natürlich weit weniger gravierend, als einen etablierten Markennamen zu ersetzen und praktisch als Nobody neu zu beginnen, ohne die glorreiche Vergangenheit im Banner. Eine Mannschaft, die so erfolgreich ist wie die Crusaders, hat einen immensen Wiederkennungs- und Werbewert.

Und als Crusaders sind sie für die Menschen in Christchurch in der schlimmen Zeit nach dem vernichtenden Erdbeben im Februar 2011 das Synonym für Zähigkeit, Überlebenswille und Hoffnung geworden: Da ihr Stadion zerstört wurde, bestritten sie sämtliche Heimspiele auswärts, eines davon sogar in London, und mussten sich – erschöpft vom vielen Reisen – erst im Finale gegen die Reds in Brisbane geschlagen geben, und so nebenbei haben sie Sand geschaufelt, Trost und Geld gespendet.

Sieben Spieler von damals tragen auch heute noch das schwarz-rote Trikot. Deshalb fällt es so manchem in Christchurch schwer, eine Namensänderung zu akzeptieren, auch wenn sie zur gleichen Zeit unerlässlich erscheint.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)

CHRISTCHURCH. Die Crusaders stehen für vieles, was die Menschen in Christchurch in gute Stimmung versetzt und ihnen hilft. Neun Titelgewinne in der Super-Rugby-Liga der Südlichen Hemisphäre, karitatives Engagement, Zusammenrücken und Ablenkung in schwierigen Zeiten, Integration, Einheit, Zusammenhalt. Eigentlich alles, wofür diese Rugby-Franchise einen Orden verdient hätte.

21.04.2019

Öffentliche Meinung

Bei einer Umfrage durch ein bekanntes neuseeländisches Meinungsforschungsinstitut haben sich 76 Prozent der Befragten dafür ausgesprochen, den Namen der Crusaders nicht zu ändern.