05.04. Clarks große UN-Pläne

Die ehemalige Regierungschefin liebt die Macht

Text zur Bewerbung von Neuseelands ehemaliger Premierministerin Helen Clark für den Posten als UN-Generalsekretär

Während ihrer neun Jahre als Premierministerin Neuseelands (1999 bis 2008) war Helen Clark beim gemeinen Volk nie wirklich beliebt. Mit ihrer distanzierten Art kam die Vorsitzende der Labour-Partei bei den Massen nicht an, ganz im Gegensatz zu ihrem noch immer amtierenden Nachfolger John Key, einem Multimillionär mit abgehobenem Lebensstil, der sich mit Altherrenwitzen und allerlei Fehltritten in die Herzen seiner Landsleute geschlichen hat.

Als Kinderlose war die resolute Regierungschefin den Leuten im Land der Kiwis gleich doppelt suspekt. Trotz glücklicher Ehe mit dem Soziologen Peter Davis wurden ständig Gerüchte gestreut, sie sei lesbisch. Erst als sie im April 2009, fünf Monate nach der Niederlage bei den Parlamentswahlen, der Heimat den Rücken kehrte und als Chefin des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) den dritthöchsten Posten bei den Vereinten Nationen antrat, begann eine Art Liebesbeziehung.

Schon damals forderte Key seine Landsleute zu Freudentänzen auf, war Helen Clark doch der Beweis dafür, welch große Köpfe die kleine Nation im Südpazifik mit ihren nur 4,6 Millionen Einwohnern hervorbringt.

Dass sich die 66-jährige Politikerin jetzt um den Posten des UN-Generalsekretärs, als Nachfolgerin des zum Jahresende ausscheidenden Südkoreaners Ban Ki Moon, beworben hat, lässt die Neuseeländer vor Nationalstolz platzen.

Politische Beobachter prophezeien gar, die Kandidatur werde die Nation einen. Unvorstellbar, sollte sie tatsächlich als erste Frau zur Nummer eins der UN aufsteigen. Key frohlockt schon jetzt, dass Neuseeland weltpolitisch in die höchsten Sphären aufsteigen werde, und preist Clarks Führungsqualitäten und Erfahrung als „richtige Mischung für den Job“.

In ihrer Heimat war Clark, die 28 Jahre lang dem Parlament angehörte, unbestritten die fähigste Politikerin der vergangenen Jahrzehnte. Die studierte Politologin war eine resolute Führerin und regierte ihre Partei mit eiserner Hand. Mit ihrer Bassstimme, dem beißenden Sarkasmus und phänomenalen Detailwissen machte sie selbst die lautesten Zwischenrufer nieder.

Während ihrer neunjährigen Regierungszeit setzte Clark in punkto Umwelt Akzente, ihr Kabinett gründete die Staatsbank Kiwibank, einen Rentenfonds und ein Altersvorsorge- und Familienförderungsprogramm. Ein Glanzpunkt ihrer Amtszeit war die Weigerung, Soldaten in den Irak-Krieg zu schicken. Stattdessen beteiligte sich Neuseeland an Friedenstruppen in Afghanistan und auf den Salomonen.

Die Schwerpunkte des UN-Entwicklungsprogramms sind Themen, die ihr auf den Leib geschneidert sind: Armutsbekämpfung, demokratische Regierungsführung, Energie und Umwelt, Krisenprävention, HIV/Aids, und über allem Schutz der Menschenrechte sowie die Gleichbehandlung von Frauen.

Schon bei ihrem Amtsantritt vor sieben Jahren vermutete so mancher, sie betrachte den Posten lediglich als Sprungbrett, um sich für das Amt des Generalsekretärs zu empfehlen. Das hat Helen Clark zwar nie zugegeben und sich jetzt mit der Bewerbung ein Jahr lang geziert, aber sie ist in der vergangenen Woche nicht nur nach Neuseeland gereist, um ihren kränkelnden 94 Jahre alten Vater George zu besuchen. Die sportliche Frau liebt die Macht.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)