11.03. Spaghettimonster

Staatlich anerkannte Pastorin für Religionsparodisten

Das genaue Datum und der Ort – irgendwo im Raum Wellington – sind geheim, um einen Medienansturm zu verhindern. Denn seit kürzlich der Oberste Standesbeamte Neuseelands der gebürtigen US-Amerikanerin die offizielle Zulassung erteilt hat, bei solchen Zeremonien als Pastorin für ihre Glaubensgemeinschaft zu fungieren, laufen die Telefone der „Ministeroni“ – nudelmäßig abgeleitet vom englischen Wort „minister“ (Priester) – heiß. TV- und Zeitungsleute wollen Interviews und Fotos von ihr, Heiratswillige erkundigen sich nach Terminen und dem Ablauf einer Trauung alla Pasta.

Von solch einer Anerkennung können die Pastafari, wie sich die Mitglieder dieser weltweit stetig wachsenden Gemeinschaft von Religionsparodisten nennen, in anderen Ländern nur träumen. In Deutschland wurde die von Rüdiger Weida alias Bruder Spaghettus in Templin in Brandenburg gegründete Gruppe 2012 immerhin als Weltanschauungsgemeinschaft anerkannt, während das Ansinnen des österreichischen Vereins 2014 mit der Begründung abgelehnt wurde, es fehle ein Bezug zur religiösen Lehre.

"Durchgängige Präsentation der Philosophien"

WELLINGTON. Als selbständige Unternehmensberaterin bringt Karen Martyn Firmenchefs, Aufsichtsräten und Leitern von karitativen Einrichtungen bei, wie man Entscheidungen im Team trifft. Auch in ihrer Freizeit wird sie jetzt bald vor einer versammelten Gemeinschaft stehen. Und predigen. Im April wird die Karrierefrau als Zelebrantin der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters ihre erste Trauung durchführen.

Fotos von der ersten Pastafari-Hochzeit, die nicht im Raum Wellington, sondern im April in Akaroa stattfand. Das glückliche Paar waren Toby Ricketts und Marianna Young.

Foto links: Ministeroni Karen Martyn zwischen dem Brautpaar.

Copyright, alle Fotos:

Sissi Stein-Abel

Story über die Hochzeit und viele Fotos hier:

http://www.sissistein.com/neuigkeiten-2016/17-04-pastafari-hochzeit

Neuseelands Oberster Standesbeamter Jeff Montgomery sah hingegen diese Grundvoraussetzung erfüllt. „Die Organisation fördert oder hält religiösen Glauben, philosophische oder humanitäre Überzeugungen aufrecht“, urteilte er im vergangenen Dezember. „Die Überprüfung von Medienberichten und der internationalen Website der Kirche zeigen eine durchgängige Präsentation ihrer Philosophien.“

Die logische Konsequenz war, Karen Martyn jetzt die Lizenz als staatlich anerkannte Zelebrantin der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters (FSM) zu erteilen. Sie wählte diesen Weg über die Kirche bewusst, „um unseren Mitgliedern diesen Service bieten zu können“. Es wäre auch einfacher gegangen, denn in Neuseeland gibt es auch unabhängige Zelebranten, die anstelle eines Standesbeamten Brautpaare in Fesselballons, während eines Fallschirmsprungs, auf Wasserski oder auf einem Dreitausender trauen dürfen.

Piraten werden als ursprüngliche Pastafari verehrt

Während die 61-jährige Amerikanerin für Fotos in einem rot-schwarzen Piratenkostüm mit einem Dreizack auf dem Kopf und dem glubschäugigen Spaghettimonster auf der Schulter posiert, hat sie vor, bei ihrer ersten Feier „irgendein weißes Piraten-Outfit“ zu tragen.

Piraten werden als die ursprünglichen Pastafari verehrt. Die Frau aus Los Angeles, die seit 27 Jahren im Land der Kiwis lebt und früher als Individualistin dem Shamanismus zugetan war, entdeckte den Glauben vor acht Jahren im Internet.

„Es ist ein bisschen humorvoll“, beschreibt sie die Philosophie, die darauf basiert, dass das das nicht nachweisbare Fliegende Spaghettimonster, das wie ein Haufen Pasta mit zwei Hackfleischbällchen aussieht, die Welt erschaffen hat. „Da sind wir wie die Leute, die an den magischen Mann im Himmel glauben. Wir glauben nicht an Himmel und Hölle und sind gegen die absurden Konzessionen, die gegenüber Anhängern von Religionen gemacht werden. Wir sind gegen alles, was im Namen von Religion geschieht, inklusive Krieg und Terrorismus.“

Biervulkan mit Strippern und Stripperinnen

Ihre Glaubensgrundsätze richten sich gegen Diskriminierung, Vorurteile, religiöse Dogmen, Nötigung und Frauenfeindlichkeit. Sie werben für Freie Liebe und den Gebrauch von Kondomen. Nach dem Tod vergnügen sich Pastafari unter einem Biervulkan mit Strippern und Stripperinnen.

Zu den von von ihnen kritisierten und persiflierten Zugeständnissen gegenüber Anhängern der gängigen Religionen gehört das Tragen von Kopfbedeckungen auf Pass- und Führerscheinfotos.

In Neuseeland sorgte vor zwei Jahren ein Mann namens Russell in einem Fernsehauftritt für Aufsehen, nachdem sein Portraitfoto, auf dem er ein blaues Nudelsieb auf dem Kopf hat, von der Führerscheinbehörde akzeptiert worden war.

Auch Karen Martyn hat vor, solch eine Blech- oder Edelstahlschüssel mit zwei Henkeln aufzusetzen, wenn sie 2020 ihren Führerschein erneuern muss. Diese Kopfbedeckung tragen die Pasta-Jünger nämlich zu besonderen Anlässen. In ihren Emails grüßt die Ministeroni aus Wellington mit Ahoi – die Piratin lässt grüßen – und sie verabschiedet sich mit RAmen, einem Amen auf die japanische Nudelsorte. Wohl bekomm’s!

INFO

  • Die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters (FSM) ist eine Parodie auf alle fundamentalistisch-religiösen Glaubensrichtungen. Ihre Anhänger sind Atheisten und Skeptiker jedweder Couleur.

  • Der amerikanische Physiker Bobby Henderson machte den sogenannten „FSMism“ – auf Deutsch: FSMismus – 2005 bekannt, als er in einem Brief an die Schulbehörde von Kansas verlangte, seine Glaubensrichtung in öffentlichen Schulen zu unterrichten und nicht nur die fundamentalistisch-christliche Überzeugung des Kreationismus.

  • Der Blog Boing Boing hat ein Preisgeld von einer Million US-Dollar ausgesetzt für jenen, „der den empirischen Beweis erbringen kann, dass Jesus nicht der Sohn des Fliegenden Spaghettimonsters ist“. Weltweit soll es mehr als zehn Millionen FSM-Anhänger geben, Tendenz steigend.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)