22.07. Café Berlin

Deutsches Paradies: Der Name ist Programm

Es ist ein lukullisches Paradies für hungrige Deutsche, die nach Heimatgenüssen lechzen, und für Einheimische, die mit Blick auf die ersten zwei Geschäftswochen nur allzu willig sind, ihren kulinarischen Horizont zu erweitern. „Wir sind förmlich überrannt worden“, stellt Anneke, die sich in Deutschland Saalfeld und in Neuseeland Molly nennt, staunend fest. „Für den Samstag mussten wir schon einen Barista einstellen.“

CHRISTCHURCH. Angelika Riemann hat keinen Koffer in Berlin, aber zwei erwachsene Söhne. Anneke Saalfeld-Molly kann auf keinerlei solche Bande verweisen, mag aber Ampelmännchen, Currywurst und die Hackeschen Höfe. Zusammen haben die beiden Frauen, die aus Marne in Schleswig-Holstein und Einbeck in Niedersachsen stammen, in Christchurch, der zweitgrößten Stadt Neuseelands, das Café Berlin eröffnet.

Café Berlin

Internet: www.cafeberlin.co.nz

Facebook: https://www.facebook.com/pages/Cafe-Berlin/1020187584712733?fref=ts

Adresse:

9A Normans Road

Strowan, Christchurch

Anfahrt:

Wenn man vom Stadtzentrum auf der Papanui Road nach Norden fährt, ca. 1km nach der Merivale Mall, direkt nach dem St. Andrew's College, nach links in die Normans Road abbiegen, durchfahren bis kurz vor dem Ende (Wairakei Road), das Café ist auf der rechten Straßenseite.

Bei der Namensgebung des Geschäftes, das in erster Linie ein Delikatessenladen und nur in zweiter Linie ein Café sein soll, hat nicht das Herz entschieden, sondern der Verstand. Berlin, Berlin, das steht für Internationalität, jeder kennt die deutsche Hauptstadt, der Name ist in jeder Sprache derselbe, nicht wie bei Köln, das im Englischen zu Cologne wird, und bei der Aussprache brechen sich die Neuseeländer nicht die Zunge, auch wenn Berlin zu „Börlinn“ wird. Der Name ist auch Programm, denn die Lebensmittel, die an den drei runden Tischen konsumiert und an der Theke verkauft werden, sind urdeutsch, wie die Schnittwurst, Bratwürste, das Körnerbrot und die Brezeln, oder wenigstens europäisch, so wie der holländische Käse. „Muffins, Brownies und Meat Pies wird man bei uns nicht finden“, sagt Anneke Saalfeld.

Dafür gibt’s nach mehreren Testbackrunden seit dieser Woche Berliner und Bienenstich, und als nächstes kommen heiße Waffeln mit Kirschen ins Angebot. Käsekuchen ist ein Muss – und der Renner. Ab nächste Woche wird’s Currywurst geben. „Wir hoffen, dass wir damit ins Deutsche Currywurst-Museum in Berlin kommen“, sagt Saalfeld, deren zweiter Nachname von Ehemann Markus Molly, dem ehemaligen Leiter der Duisburger Ruderregatta, stammt.

Das Geschäft mit dem gelben Schild und dem Brandenburger Tor als Logo ist Teil einer Ladenzeile in Strowan. Die Lage ist ideal, denn dieser Stadtteil grenzt an die teuersten Wohngegenden von Christchurch, wo der Preis von Lebensmitteln keine Rolle spielt.

Der Café-Teil des Unternehmens lockt die Kunden an, die dann zur Wursttheke weiterschreiten und sich mit Kassler, Fleischkäse, Kalbsleberwurst, Zwiebelmettwurst, Nürnberger und Heidelberger Bratwürsten eindecken. Die Produkte werden von zwei deutschen Metzgern geliefert und sind „glutenfrei“. Das muss man in Neuseeland betonen, denn hier werden Semmelbrösel, Mehl, Stärke und Wasser ins Fleisch gemischt.

Im Kühlregal sind Döschen mit selbstgemachtem Fleischsalat, Quark, Sauerkraut und frischem Räucherlachs gestapelt. An der Wand gegenüber wird’s im rot-gelb-grünen Regal – das Ampelmännchen lässt grüßen - für Deutsche noch heimatlicher, und die reisefreudigen Neuseeländer erkennen Produkte aus deutschen Supermärkten wieder: vom Weißwurstsenf und Apfelrotkohl über Essiggurken, Maggi-Würze, Knorr-Tütensuppen und Curry-Ketchup bis hin zu Dr.-Oetker-Vanillepudding, Ritter-Sport-Schokolade, Hanuta und Brandt-Zwieback.

Anneke Saalfeld, die seit acht Jahren in Neuseeland lebt, übt fleißig, optimale Cappuccinos und Latte Macchiatos zu brauen, und steht nicht zufällig an der Kasse. Die 46-jährige Niedersächsin, die in Trier Volkswirtschaftslehre studierte und danach bei deutschen Großunternehmen in Duisburg und Düsseldorf im Konzernrechnungswesen arbeitete, ist zuständig für die finanzielle Seite des Unternehmens, „und das bereitet mir trotz des guten Starts noch immer schlaflose Nächte“.

Die 60 Jahre alte Angelika Riemann hat den Umgang mit Lebensmitteln im Blut, auch wenn sie bis zu den schweren Erdbeben 2011 in Christchurch in der Tourismus-Branche ihren Traumjob gefunden hatte. „Ich komme aus einer Bäckerei/Konditorei, die in der Zwischenzeit von einer Nichte und einem Neffen geleitet wird und ein Dutzend Filialen in Dithmarschen hat“, erzählt sie. Vor ihrer Auswanderung vor 14 Jahren leitete sie ein Hotel-Restaurant in Büsum.

Nach den Erdbeben arbeitete die resolute Frau, deren bewegtes Leben Bücher füllen könnte, in einer deutschen Metzgerei, managte ein Jahr lang eine Tankstelle und tat sich danach bei der Stellensuche schwer. Ähnlich erging es Anneke Saalfeld, die trotz ihrer Qualifikationen keinen festen Job ergattern konnte. Deshalb unterhielten sich die beiden bei der Einweihungsparty eines in Berlin geborenen Hamburgers – mit Currywurst! – im vergangenen März darüber, ob sie aus der Not nicht eine Tugend machen und zusammen ein Café eröffnen sollten, zumal sie mit ihren Talenten eine optimale Kombination wären.

Der Rest ist Geschichte. Innerhalb eines Tages fanden die Frauen die passenden Räumlichkeiten, bauten sie um und wundern sich darüber, wie verrückt die Neuseeländer nach Café-Kaffee sind – vermutlich, weil die meisten zu Hause Pulverkaffee trinken.

Aber natürlich ist es ein Glücksfall, denn Deutsche machen nur 20 Prozent ihrer Kundschaft aus – und mit Kaffee lässt sich am leichtesten Geld verdienen. Wobei „leicht“ ein relativer Begriff ist. Jeder Arbeitstag im Café Berlin dauert zwölf Stunden.

(Copyright: Sissi Stein-Abel)