13.04. Panama ist überall
Wetterhahn Key testet den Wind in der Steueroase
Die Panama Papers und wie Neuseelands Regierung mit dem Vorwurf umgeht, ein Paradies für ausländische Steuerflüchtlinge zu sein, sind das Thema. Aber die Karikatur könnte aus dem Archiv stammen. Sie zeigt John Key, wie er leibt, lebt und regiert. Der Premierminister Neuseelands sitzt als Wetterhahn auf einer Wetterfahne und testet, aus welcher Richtung der Wind weht. Je nachdem, was die Umfragen ergeben, ändert er seinen Standpunkt nicht von jetzt auf nachher, sondern rückt im Laufe mehrerer Tage oder Wochen allmählich von seiner Linie ab. Das Endergebnis ist eine Kehrtwende.
Hatte er gleich nach der Veröffentlichung der Papiere im Brustton der Überzeugung verkündet, Neuseeland sei trotz der Existenz von 12.000 anonymen und steuerfreien ausländischen Treuhandkonten keine Oase reicher Anleger, die sich um die Steuerpflicht in ihren Heimatländern drücken, so ist er mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt, dass die Treuhand-Gesetze vielleicht doch überarbeitet werden müssten.
Kaum hatte er sich dazu durchgerungen, folgte Schlimmeres. Das, was hierzulande als „bad look“ bezeichnet wird: ein ganz schlechter Eindruck, eine Oberpeinlichkeit, die den Premierminister höchstpersönlich in die Nähe der Mauscheleien rückte, die in den Panama Papers angeprangert wird.
Am Tag, als Oppositionsführer Andrew Little, der Vorsitzende der Labour-Partei, seine Steuererklärungen seit 2010 offenlegte und von Multimillionär John Key verlangte, dasselbe zu tun, wurden nämlich auch das neue Verzeichnis der Nebeneinkünfte und Geldanlagen von Neuseelands Parlamentariern veröffentlicht.
Ein Problem der Wahrnehmung
Darin tauchte die Antipodes Trust Group Ltd als Schuldner unter Keys Eintragungen auf. Diese Treuhandgesellschaft macht genau das, was Neuseeland einen Platz in der Liste der Steueroasen eingebracht hat: Sie managt laut eigener Website „den Transfer generationsübergreifender Vermögenswerte“ für ausländische Treuhandgesellschaften, weil in Neuseeland dafür keinerlei Steuern anfallen, solange keine weiteren inländischen Einkünfte vorliegen.
Keys Erklärung, wie er ein Gläubiger solch eines Unternehmens sein könne, war simpel: Sein langjähriger Anwalt Ken Whitney habe die Kanzlei gewechselt und das Treuhandkonto, das Key zur Kostendeckung für die Verwaltung seines eigenen – inländischen – Treuhandvermögens angelegt habe, in die neue Firma mitgenommen. Die Überschüsse würden kurzzeitig bei einheimischen Banken angelegt. Alles also nach dem Buchstaben des Gesetzes, aber für Key hat sich ein Problem der Wahrnehmung ergeben.
Auch der Auftrag, den er tags zuvor dem Steuerexperten John Shewan erteilt hatte, nämlich Neuseelands Umgang mit ausländischen Treuhandgesellschaften unter die Lupe zu nehmen und am 30. Juni seine Einschätzung dazu kundzutun, erscheint plötzlich noch halbherziger und wachsweicher, als die Opposition ohnehin schon kritisiert hatte.
"Was hat John Key zu verbergen?"
„Was hat John Key zu verbergen, wenn er Neuseelands Ruf als Steueroase herunterspielt?“, sagte Labour-Chef Little, „totale Transparenz ist der einzige Weg, um das Vertrauen der Öffentlichkeit in unser Steuersystem wiederherzustellen.“
Der alte Haudegen Winston Peters, Chef der Partei NZ First, sagt: „John Keys sanfte Option genügt nicht, um die internationale Kritik, dass Neuseeland eine Steueroase ist, zum Verstummen zu bringen.“
Littles Ruf, es wie schon er selbst und vorher der britische Premierminister David Cameron seine Steuererklärungen offenzulegen, lehnte Key erneut ab. Der ehemalige Devisenhändler, dessen Vermögen auf 30 Millionen Euro geschätzt wird, er sei „hundertprozentig davon überzeugt, dass meine Steuerangelegenheiten ohne Fehl und Tadel sind“.
Weigerung, der Realität ins Auge zu blicken
Key hatte sich eine Woche lang geweigert, der Realität ins Auge zu blicken. Neuseeland habe international einen blendenden Ruf, sagte er. Das Steuersystem habe sich seit der Einführung 1988 bewährt, und es existierten 40 Doppelbesteuerungsabkommen und elf Vereinbarungen über Informationsaustausch. Die Steuerbehörde IRD (Inland Revenue Department) leite ihr Wissen aktiv an andere Staaten weiter, das sei ja wohl das Gegenteil einer Steueroase.
Er gab allerdings keine Erklärung darüber ab, wie das Finanzamt Informationen über ausländische Konten weitergeben soll, wenn die Inhaber lediglich mit Phantasienamen wie Schneewittchen, Eisbär oder Wiener Schnitzel registriert sind.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Experten davor gewarnt, Neuseeland sei auf dem Weg, ein Paradies für Geldwäscher zu werden, nachdem die Spezialeinheit der Polizei auf verdächtige Transaktionen bei Finanzunternehmen und Casinos hingewiesen hatte.
Neuseeländische Anlageberater und Banken hatten im Ausland mit Hinweis auf die Steuerbefreiung von Treuhandkonten und –gesellschaften sogar aktiv um Kunden geworben. Innerhalb eines Finanzjahres stiegen die Anlagewerte von 2,05 auf 5,18 Milliarden Euro. Die Warnungen verhallten jedoch ungehört – so lange, bis die Panama Papers die Reichen und Mächtigen der Welt in Aufruhr versetzten.
John Key, der Wetterhahn
Erst als der Druck aus dem In- und Ausland zu groß wurde, beauftragte John Key einen Steuerexperten mit der Einschätzung der Treuhandgesetze in Neuseeland. Deshalb wurde er in einer Karikatur als ein auf einer Wetterfahne sitzender Wetterhahn dargestellt, der den Wind aus den vier Himmelsrichtungen prüft, ehe er eine Kehrtwende vollzog.
Erstens: die Frage, wer überhaupt in den Skandal verwickelt ist; mittlerweile ist bekannt, dass zwei enge Vertraute des maltesischen Premierministers Joseph Muscat schwarze Konten besitzen, eines davon in Neuseeland.
Zweitens: den Druck von außen; dazu gehören die Proteste in Malta, wo Muscats Rücktritt gefordert wird, ebenso der Rücktritt des isländischen Regierungschefs Sigmundur Gunnlaugsson und die weltweite Verurteilung unseriöser Staaten.
Drittens: die öffentliche Stimmung; das Gros der Menschen im Land der Kiwis ist überzeugt, dass der makellose Ruf des Inselstaates im Südpazifik im Zuge der Aufarbeitung der Panama Leaks schwer ramponiert worden ist.
Viertens: die Umfrage-Ergebnisse; die Wähler verlangen, dass Schlupflöcher umgehend geschlossen werden, denn keiner will, dass die Nation in einem Atemzug mit Steueroasen wie den Bahamas und den Britischen Jungferninseln genannt wird – auch wenn es zunächst vielversprechend klingt, als „Schweiz des Südpazifiks“ bezeichnet zu werden.
(Copyright: Sissi Stein-Abel)